Interview mit Roland Emmerich „Wir werden nie erwachsen“

Bonn · Roland Emmerich über seinen neuen Film „Independence Day: Wiederkehr“.

 Wie gemalt: Szene aus Roland Emmerichs Film „Independence Day: Wiederkehr“.

Wie gemalt: Szene aus Roland Emmerichs Film „Independence Day: Wiederkehr“.

Foto: ga

Herr Emmerich, es hat 20 Jahre gedauert, bis Sie sich auf eine Fortsetzung von „Independence Day“ eingelassen haben. Wie viele Anfragen haben Sie abblitzen lassen?

Roland Emmerich: Unzählige. Das ging schon zwei oder drei Wochen, nachdem der Film gestartet war, los. Aber ich habe immer auf Zeit gespielt, weil ich erst einmal andere Originalprojekte drehen wollte. Im Jahr 2000 verstärkte sich dann noch mal der Druck, als Will Smith auftauchte und sagte: „Ich hab's: Independence Day – Underground War“. Es sollte alles unterirdisch stattfinden, aber das war mir zu abstrus.

Und nun ist Will Smith nicht mehr dabei.

Emmerich: Als ich mich entschieden hatte, eine Fortsetzung zu machen, haben wir uns mit Will Smith getroffen und ihm erzählt, was wir vorhaben, und er sagte: „Toll.“ Aber dann hat es zwei Jahre mit der Drehbuchentwicklung gedauert. Inzwischen war Will Smith gerade dabei, mit seinem Sohn „After Earth“ zu drehen, und in unserem Drehbuch ging es ebenfalls um einen Vater-Sohn-Konflikt. Deshalb hat Will Smith abgesagt. Ich glaube, es war auch ein wenig Arroganz dabei, weil er vielleicht hoffte, nun seine eigene Science-Fiction-Serie auf die Beine stellen zu können. Und dann habe ich gesagt: „Okay, das war es.“ Aber alle Leute um mich herum waren der Meinung, dass man das auch ohne Will Smith machen kann. Zwei Jahre später habe ich zwei junge Drehbuchautoren gefunden, die ein paar gute Ideen hatten, die mich begeistert haben.

Und das Studio hat gejubelt?

Emmerich: Die haben sich anfangs Sorgen gemacht, ob eine Fortsetzung nach 20 Jahren überhaupt noch funktioniert. Aber ich war der Meinung, dass man, gerade weil so viel Zeit vergangen ist, eine neue Welt zeigen kann.

In den vergangenen 20 Jahren haben sich die technischen Möglichkeiten rasant verändert.

Emmerich: Ich war damals frustriert, weil wir längst nicht alles umsetzen konnten, was wir im Kopf hatten. Wir haben ja damals noch vorwiegend mit Modellen und Puppen gearbeitet. Die Möglichkeiten, die sich in den vergangenen Jahrzehnten mit computergenerierten Bildern eröffnet haben, waren für mich als Filmemacher eine echte Befreiung. Heute teilt man so ein Projekt auf und besetzt die verschiedenen Animationsfirmen wie Schauspieler. Die Neuseeländer können gut große Monster entwerfen, die kleineren Kreaturen entwickeln die, die „District 9“ gemacht haben. Um die Katastrophen- und Feuereffekte kümmert sich die Firma, mit der ich schon in „2012“ zusammengearbeitet habe.

Neu in „Independence Day: Wiederkehr“ ist auch die asiatische Präsenz im Heldengefüge. Reagieren Sie damit auf die neuen Märkte in Fernost?

Emmerich: Der chinesische Markt wird in zwei, drei Jahren so stark sein wie die US-Filmwirtschaft. Da war es für mich sehr früh klar, dass wir auch bei der Besetzung der Hauptfiguren auf dieses Publikum zugehen müssen.

Und es gibt auch eine US-Präsidentin. Ist das ein politisches Statement?

Emmerich: Wenn man solche Großproduktionen macht, muss man sich umschauen, wo die Gesellschaft steht. Es war für mich wichtig, eine amerikanische Präsidentin zu haben, und dass im Film ein schwules Paar vorkommt. Man muss aber aufpassen, dass man solche politischen Statements nicht nur abhakt, sondern dass sich das organisch in den Film fügt.

Vor 20 Jahren mussten Sie noch um die Besetzung der Hauptfigur mit einem afroamerikanischen Schauspieler kämpfen.

Emmerich: Das stimmt. Die Fox wollte Will Smith damals nicht haben. Aber die wollten auch Jeff Goldblum nicht.

Wie erklären Sie sich eigentlich den Erfolg, den „Independence Day“ damals hatte?

Emmerich: So etwas hatte man bis dahin noch nicht gesehen: Die Unverfrorenheit, das Weiße Haus in die Luft zu jagen, und das auch schon im Trailer zu zeigen. Der Film traf in vielen Aspekten den damaligen Zeitgeist. „Akte X“ kam damals gerade groß raus. Da ging es ja auch um Aliens und Verschwörungstheorien. Invasion war und ist ein universelles Thema, das emotional von jedem verstanden wird. Die Vorstellung, dass die Welt sich angesichts eines äußeren Feindes vereint, passte als Utopie ebenfalls in die Zeit.

Eine Utopie, die Sie im zweiten Teil erneut beschwören. Ist das angesichts der politisch polarisierten Situation in den USA und in vielen anderen Ländern nicht ein wenig naiv?

Emmerich: Unsere Welt ist sehr zerrissen. Ich habe das Gefühl, dass wir nie erwachsen werden und es einfach nicht hinbekommen, in Frieden miteinander zu leben. Das sehe ich, und der Film formuliert eine Antwort darauf, indem er zeigt, was man erreichen könnte, wenn man miteinander und nicht gegeneinander agiert.

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