Fabrik 45 "Zucht und Ordnung": Künstler lassen sich über die Schulter schauen

BONN · Diese Kunst entsteht in der Fabrik: Auf einer Art Werkbank mit der Anmutung eines Webstuhls wird ein bereitliegender Bleistiftstummel bis zur Auflösung benutzt, dann kommt der nächste Stift, nimmt der nächste Zeichner Platz, die nächste Graphitfläche entsteht.

 Anne von Hoynigen-Huene löscht Fotos aus.

Anne von Hoynigen-Huene löscht Fotos aus.

Foto: Kliemann

Und so weiter. Jeder Teilnehmer trägt sich in eine Liste ein. Ben Beyer hat sich dieses Szenario ausgedacht. Es ist Teil eines außergewöhnlichen Projekts an einem passenden Ort, in der Fabrik 45 am Hochstadenring. Unter dem Titel "Zucht und Ordnung" wird der Kunst-Produktionsprozess von allen Seiten beleuchtet - ironisch, pseudowissenschaftlich, kritisch, informativ.

Der Besucher hat die Wahl, entweder den arbeitenden Künstlern über die Schulter zu schauen oder, wo es erlaubt ist, selbst Hand anzulegen.

Der Maler Lukas Thein - er zeigt, wie Bilder in einem Gewächshaus florieren - und der Tattookünstler Demeco & Pasquale, der Farbtropf-Arbeiten per E-Mail verschickt, haben Kollegen in die Fabrik 45 eingeladen. Wo früher die Maschinenfabrik Knaupe & Roesler war, entsteht jetzt unter quasi-industriellen und laborähnlichen Bedingungen Kunst. Work in Progress - fast ausschließlich in Händen von Zöglingen der Alanus-Hochschule.

So lässt Andreas Reichel aus Rasenreparaturstücken unter Idealbedingungen Gras wachsen - und hört diesen Prozess gleich ab, während seine Künstlerkollegin Renate Schäfer-Jöckel einer Zitrone Strom abzapft und jubelt: "Spannung ist schon da!" Der Maler Georg Cevales, der bereits bei "Saatchi Art" auf dem Radar ist, lässt ein Mobile mit roten, blauen und gelben Objekten bestücken - alles, was Hosen- und Handtasche hergeben.

In einem seriellen Akt sammelt die Bildhauerin Valerie Häussler bei Besuchern Fingerabdrücke ein, die in strengen Reihen angeordnet das Muster einer Art Tapete bestimmen. Auf dieser Papierbahn wächst im Laufe der Ausstellung eine Struktur.

Organisches Wachstum auch bei Wolfgang Ueberhorst (einziger Nicht-Alanusjünger), der dreidimensionale Zwitter aus Industrieform und Körperabformung kreiert, sowie bei Luzia Polanski, die aus Strümpfen und Füllwatte Brüste entstehen lässt, die in silbernen Kästen angeboten werden. In der klinisch anmutenden Produktionsstätte bietet Polanski "Betriebsführungen" an.

Einen Ort der Stille und der Trauer präsentiert die Koreanerin Youn-Sook Nam, die mit einem Zeichen-Projekt an die 300 Opfer des Fährunglücks in ihrer Heimat erinnert.

Während sie versucht, das Leiden mit dem Radiergummi auszulöschen, eliminiert Anne von Hoynigen-Huene durch heftige Überarbeitung sämtliche Informationen aus Fotos, um diese dann künstlerisch neu aufzubauen. Eine von vielen Entdeckungen.

Info

Fabrik 45, Hochstadenring 45; bis Samstag. Täglich 15-19 Uhr, Finissage: 24. Mai, 19 Uhr.

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