Rainald Grebe in der bonner Oper Wundertüte und Kaleidoskop

Bonn · Seltsam: Rainald Grebe in der Bonner Oper. Entlarvung ist ein wichtiger Bestandteil seiner Kunst.

 Rebell, Querkopf und Poet: Rainald Grebe.

Rebell, Querkopf und Poet: Rainald Grebe.

Foto: Simons

„Die Aufgaben des Künstlers haben sich verändert“, stellt Rainald Grebe zu Beginn im Bonner Opernhaus fest und rückt seinen gefederten Indianerhäuptlingskopfschmuck zurecht. „Früher musste der Künstler irre sein, extrem und durchgeknallt. Das machen inzwischen andere. Und der Künstler, der soll heute die Mitte zusammenhalten.“ Einen ersten Hinweis auf Grebes gegenwärtige Ausrichtung als Künstler gibt seine kleine, feine Lichtbildschau auf der großen Leinwand. Es ist, nach Selbstauskunft Grebes, der Versuch, mit der Snapchat-Generation Schritt zu halten. Und so bewundert der geneigte Grebe-Aficionado den kabarettistisch angehauchten Aktionskünstler, wie er im Adamskostüm inmitten der brandenburgischen Flora mit Kettensäge und Gartenschlauch poussiert, ähm, posiert.

Ein Abend mit Rainald Grebe ist anders. Höchst seltsam und irritierend, einzigartig in seiner wilden, subversiven und immer wieder überraschenden Bühnenperformance. Thomas Hermanns, Deutschlands führender Comedy-Impresario und „Quatsch Comedy Club“-Gründer, hat einmal sehr zutreffend über Grebe gesagt: „Er ist der zauberhafteste Expressionist unter den deutschen Comedians – vor dem man aber auch immer ein wenig Angst hat.“ Das gilt auch für sein fünftes Soloprogramm „Das Elfenbeinkonzert“, mit dem er im Bonner Opernhaus gastierte. Als entfesselter Ambassador des klugen Unsinns, des hintergründigen Klamauks. Rainald Grebe auf einen abgründigen Till Eulenspiegel auf Speed zu reduzieren, wird ihm allerdings nicht gerecht. In seinem Lied „Willkommen im Kolosseum“ besingt er den Gladiator, der unverdrossen wieder vor die Öffentlichkeit tritt: „Zieh die Rotze hoch und raus in die Arena“, und damit meint er neben dem digitalen Medienzirkus wohl nicht zuletzt die Arena des Lebens mit ihren täglichen Herausforderungen. Grebe ist nicht nur der schlaue Querkopf, der sich Trends und Strömungen konsequent verweigert, sondern vor allem auch ein poetischer Rebell.

Entlarvung ist ein wichtiger Bestandteil seiner Kunst. Er macht sich über hohle Slogans aus dem bundesweiten Stadtmarketing lustig, und da bietet auch die Bundesstadt mit „Freude. Joy. Joie. Bonn“ genug Angriffsfläche. Für die Legionen handysüchtiger Zeitgenossen, die es ohne ihr Smartphone nicht aushalten, hat er den passenden Song parat: „Ich sitz' mit dem iPhone auf dem Klo/Wie Christiane F. am Bahnhof Zoo“. Grebe singt ferner ein wunderbar dialektisches Lied über das Morgenland („Sesam, öffne dich“) und das Abendland („Schlüsseldienst“), und sein Exkurs über die mannigfaltigen Spielarten des „Struwelpeter“ gerät atemberaubend. Rainald Grebe verkörpert eine angenehm gefährliche Mischung aus Wundertüte, Kaleidoskop und Raritätenkabinett.

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