Film "Schoßgebete" "Wir wollten keine Pornografie"

Sönke Wortmann hat nach Lektüre des Buchs "sofort einen Film vor mir gesehen, wobei ich noch nicht wusste, wie der dann aussieht". Als der Regisseur ("Das Wunder von Bern") Produzent Oliver Berben anrief, verhandelte der schon über die Filmrechte und holte Wortmann hinter die Kamera.

 Lavinia Wilson mit Jürgen Vogel in einer Szene aus dem Film "Schoßgebete".

Lavinia Wilson mit Jürgen Vogel in einer Szene aus dem Film "Schoßgebete".

Foto: dpa

Ich musste das Drama erst einmal wegschieben", sagt Lavinia Wilson. Denn natürlich weiß die Schauspielerin, dass Charlotte Roches Roman "Schoßgebete" die persönliche Tragödie der Autorin zugrunde liegt, die drei Halbgeschwister durch einen schrecklichen Autounfall verlor. "Von diesem Druck, dem gerecht zu werden, muss man sich beim Spielen zuerst einmal befreien."

Dann aber empfand sie die Komplexität der "Schoßgebete"-Heldin Elizabeth Kiehl "geradezu als Geschenk - wobei es die schwierigste Figur war, die ich bisher gespielt habe". Wie schafft man das? "Ich glaube, man muss die Figur mehr lieben als sie sich selbst. Und mit einem Regisseur wie Sönke weiß man, dass man nicht allein über diese Rasierklinge läuft."

Sönke Wortmann hat nach Lektüre des Buchs "sofort einen Film vor mir gesehen, wobei ich noch nicht wusste, wie der dann aussieht". Als der Regisseur ("Das Wunder von Bern") Produzent Oliver Berben anrief, verhandelte der schon über die Filmrechte und holte Wortmann hinter die Kamera.

Berben selbst schrieb das Drehbuch, und Wortmann lobt: "Er hat sofort den richtigen Ton getroffen, denn das Problem bei diesem Buch ist ja: Wo ankert man und baut dann die Geschichte drumherum."

Lavinia Wilson ("Allein") stand nicht unbedingt auf seiner Favoritenliste, "weil sie bisher immer in so komischen Kunstfilmen mitgespielt hatte, wo die Hauptfigur irgendwann in Embryohaltung einen Urschrei ausstößt, und die Kamera dann vielsagend zur Decke fährt". Doch beim großen Casting "war sofort klar, dass sie es ist".

Die Auserwählte ("Ich habe nie einen Urschei ausgestoßen!") war für diese Rolle sehr dankbar, "weil diese Frau eben nicht nur tragisch, sondern schlau und auch witzig ist". Gegenüber dem Buch mit seitenlangen Oralsex-Traktaten ist der Film deutlich zahmer. Wortmann: "Wenn man so etwas zeigt, ist es Pornografie und ab 18 - das wollten wir nicht." Dennoch: "Angst vor der eigenen Courage war kein ausschlaggebender Grund, sondern uns haben einfach andere Aspekte des Stoffs stärker interessiert."

Trotzdem gibt es gegen Ende jene Szene, in der Elizabeth mit ihrem Mann (Jürgen Vogel) ins Bordell geht, wo sich beide gemeinsam eine Prostituierte nehmen. Schwierig zu spielen? "Schauspieler stellen sich gern hin und sagen: Ach was, ganz normaler Drehtag. Ich war jedenfalls nervös, die anderen auch und man war erleichtert, dass es abends vorbei sein würde. Es ist eben nicht das Normalste der Welt, sich vor nicht ganz, aber doch fremden Menschen auszuziehen und den Orgasmus des Jahrhunderts vorzutäuschen." "Der war vorgetäuscht?" fragt Wortmann - und dieser Humor machte wohl auch den Dreh leichter.

Zwar hat Roche dem Team ihre Geschichte ohne Bedingungen abgetreten, aber Wortmann sagt: "Gerade weil ich weiß, wie persönlich das Buch ist, war es, wie ein Politiker sagen würde, mein erstes Wahlziel, dass sich die Autorin von uns verstanden fühlt und ihr der Film gefällt. Dieses Wahlziel haben wir grandios erreicht, nun muss es auch noch vielen anderen Leuten gefallen."

Und wie hat Charlotte Roche die Darstellung ihres alter ego durch Lavinia Wilson empfunden? "Sie war voll des Lobes, und das hat mich glücklich gemacht", sagt die Schauspielerin. "Denn natürlich bringt so eine Geschichte die Verantwortung mit sich, ihr auch gerecht zu werden."

Im Film faszinieren Elizabeths frappierend schnelle und radikale Stimmungswechsel. Musste Wortmann die bei seiner Hauptdarstellerin hervorzaubern? "Es ist natürlich schön für einen Regisseur, wenn er einer völlig verzweifelten Schauspielerin so hilft, dass er die Szene doch noch rettet. Bei Lavinia allerdings ist frustrierend, dass sie so viel kann. Da bleibt einem als Regisseur nur, staunend danebenzustehen, allenfalls leicht zu justieren, und dann ist es gut."

Mehr Informationen

Eine Besprechung von Sönke Wortmanns Film ist am 3. September im Feuilleton des General-Anzeigers erschienen. In Bonn ist "Schoßgebete" im Kinopolis und im Stern zu sehen.

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