Ausstellung "Ausgezeichnet" im Kunstmuseum Werke nach Suchmaschinen-Ergebnissen geschaffen

Bonn · Viktoria Binschtoks mediale Experimente in der Reihe „Ausgezeichnet“ im Kunstmuseum Bonn. Eröffnung ist am Mittwoch.

 Detail aus der Arbeit „MM & Gwen“ (2016) von Viktoria Binschtok. FOTO: BENJAMIN WESTHOFF

Detail aus der Arbeit „MM & Gwen“ (2016) von Viktoria Binschtok. FOTO: BENJAMIN WESTHOFF

Foto: Benjamin Westhoff

Im letzten Jahr waren die „Terrorkünstler“ Matthias Wermke und Mischa Leinkauf zum Auftakt der Ausstellungsreihe „Ausgezeichnet“ im Kunstmuseum zu Gast. Was so überaus gelungen begann, geht in diesem Jahr nicht weniger hervorragend weiter. Nun darf Viktoria Binschtok in einer Einzelpräsentation zeigen, was die Stipendiaten der Stiftung Kunstfonds in Bonn drauf haben. Die Stiftung agiert bundesweit und unterstützt in jedem Jahr 40 Künstler mit einem Stipendium.

Aus mehreren Jahrgängen treffen die Kuratoren des Kunstmuseums ihre Auswahl für das „Ausgezeichnet“-Format. Viktoria Binschtok ist 1972 in Moskau geboren, war Meisterschülerin bei Tim Rautert in Leipzig und lebt heute in Berlin. Für die Schau im Kunstmuseum wählte sie Arbeiten aus ihrer jüngsten Werkreihe „Cluster“ aus, eine hochspannende Studie über die Herstellung, Präsentation und Rezeption von Bildern. Das Prinzip der Bilderstellung ist zunächst einfach. Aus ihrem eigenen Archiv wählt Binschtok ein Foto aus, digitalisiert es und füttert damit eine Bilder-Suchmaschine, die aus dem unendlichen Angebot im Internet „ähnliche Bilder“ herausfiltert. Aus diesem durch den Algorithmus bestimmten Angebot trifft die Künstlerin ihre eigene Auswahl von meist zwei oder drei Bildern. Diese baut sie in ihrem Studio genauestens nach und kombiniert sie mit ihrem Ursprungsfoto. In der Zusammenstellung wird dem Betrachter keinerlei Möglichkeiten gegeben, zwischen Ausgangsfoto und Suchmaschinenfundstücken zu unterscheiden. Das Ergebnis ist verblüffend, in seiner eigenen Ästhetik und in der Art und Weise, wie hier die Fragen unter der fotoglatten Oberfläche lauern.

Was haben eine partielle Sonnenfinsternis, der Blick durch ein Flugzeugfenster und ein Inbusschlüssel miteinander zu tun? Inhaltlich rein gar nichts, aber rein formal, gesehen mit dem mathematischen Blick der Suchmaschine, eine ganze Menge. Ähnliches gilt für das Großformat „Skyview“, das eine New Yorker Straßenlandschaft aus erhöhter Perspektive darstellt. Erst spät fällt beim Betrachten des sechsteiligen Tableaus auf, dass das Foto in der linken unteren Ecke keine Wolkenkratzer sondern vergrößerte Heftklammern zeigt.

Während also die Suche nach Sinnzusammenhängen auf der erzählerischen Ebene in Binschtoks Clustern völlig ins Leere läuft, entwickeln die Bildkomplotte formal und ästhetisch gesehen ihre eigene, logisch nachvollziehbare Bedeutung. Auch in der Präsentationsform ihrer Arbeiten springt die Künstlerin zwischen den Bedeutungsebenen. Mal rollt sich die Rückseite eines Fotos auf und gibt das Motiv der Vorderseite als Negativ aus, andere Bilder scheinen sich ineinander verhakt zu haben oder aufeinander zu balancieren. Ein Hinweis der Künstlerin darauf, dass die Bilder, vor allem in der digitalen Welt, kaum noch etwas gelten ohne ihren Kontext. „Das permanente Zeigen und Schauen konstruiert eine eigene Realität“, sagt sie und lässt offen, was man daraus ziehen möchte.

Kunstmuseum Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 2; bis 14. Januar 2018, Di-So 11-18, Mi 11-21 Uhr. Eröffnung: Mittwoch, 20 Uhr.

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