"Der fliegende Holländer" in Bonn Wenn das Fremde über das Meer kommt

Bonn · Der Bühnenbildner Walter Schütze führt im Bonner "Holländer" erstmals Regie. Doch Schütze packt den Auftrag selbstbewusst an.

 Geisterschiff und Besatzung: Probenszene aus Richard Wagners "Der fliegende Holländer".

Geisterschiff und Besatzung: Probenszene aus Richard Wagners "Der fliegende Holländer".

Foto: Thilo Beu

Die Redewendung vom Sprung ins kalte Wasser klingt im Zusammenhang mit Richard Wagners Oper "Der fliegende Holländer", vor allem mit Blick auf das Ende der Titelfigur und seiner Geliebten Senta in den Fluten des Meeres, vielleicht ein klein wenig makaber. Dennoch erscheint es naheliegend, den Regisseur der aktuellen Bonner Inszenierung, Walter Schütze, zu fragen, ob diese Redewendung ein bisschen seine Gefühlslage so kurz vor der Premiere, die am Sonntagabend ansteht, trifft. Schließlich handelt es sich um sein Regiedebüt. Bislang war der studierte Architekt eher im Hintergrund als Bühnen- und Kostümbildner tätig, hat Opern und Musicals in Helsinki, Bozen oder Chemnitz ausgestattet, bei Gustav Kuhns Tirolerfestspielen in Erl vor einigen Jahren sogar auch schon mal einen "Holländer". Schütze ist in der Beantwortung der Frage ganz offen: "Wenn man einmal die Unterschrift unter den Vertrag gesetzt hat, merkt man plötzlich, dass ein ganz anderer Druck da ist." Man sei voll und ganz für die szenische Seite der Produktion verantwortlich, während man sich als Bühnenbildner immer noch zur Not hinter dem Regisseur verstecken könne. Nun macht er alles: Bühne, Kostüme und Regie. Damit falle, so Schütze, für beide Seiten ein wesentliches Korrektiv fort.

Das heißt freilich nicht, dass der Regisseur Schütze den Ausstatter Schütze nun hemmungslos in die Vollen greifen lässt. Er mag Wagners romantische Geisteroper keineswegs als Ausstattungsstück verstehen. "Mit dem ,Holländer' verbinden viele ganz bestimmte Bilder. Man denkt an das Schiff und an die Geister. Es stellt sich damit die Frage, ob man diese bildlichen Vorgaben erfüllen will oder bewusst dagegen geht." Im Falle dieser frühen Wagner-Oper werde er als Regisseur zudem mit der plötzlichen Aktualität des Stoffes konfrontiert. "Man kommt eigentlich gar nicht umhin, sich auf das tagespolitische Geschehen zu beziehen, ohne es jetzt mit dem Zeigefinger zu tun", sagt er, "aber wenn ich eine Geschichte erzähle, in der etwas Fremdes übers Meer kommt, das eine neue Heimat sucht, kann ich nicht ignorieren, dass das etwas mit uns heute zu tun hat". Schütze findet, dass die Geschichte des Seefahrers, der dazu verdammt ist, auf ewig mit seinem Geisterschiff die Weltmeere zu kreuzen, logischerweise auch in jeder Zeit angesiedelt werden kann. "Man kann Wagners Oper in jeder Zeit ansiedeln und sie dennoch eins zu eins inszenieren", sagt er. Seine szenische Deutung des Werkes soll aber gar nicht jedes Detail der Geschichte erklären. Es muss ein Geheimnis bleiben, findet Schütze, "sonst wird man dem Werk nicht gerecht".

In Schützes Inszenierung soll die Geschichte als intensives Kammerspiel wirken, auch wenn der Regisseur das Sujet "Geisteroper" keineswegs ignorieren will. "Den Geistern das Geistsein zu nehmen, wäre einfach ungeschickt." Wenn er jedoch das Äußerliche auf das Nötigste reduziere, könne er viel besser mit kleinen Fingerzeigen, kleinen Gesten und mit Blicken arbeiten, die dann eine große Bedeutung erzeugen können. "Das würde in opulenter Dekoration nicht funktionieren", ist sich Schütze sicher. Ihn interessiert natürlich auch die psychologische Feinzeichnung der Figuren. Wenn Schütze über Senta spricht, die ihr Leben für die Erlösung des Holländers gibt, fällt nicht ganz zufällig das Wort Nonne. Dadurch, dass ihre Beziehung zu dem Fremden eine quasireligiös überhöhte ist, kann er das Verhältnis von Erik und Senta unter anderen Vorzeichen beleuchten. "Senta und Erik haben viel mehr Potenzial", sagt Schütze.

Sonntag, 27. September, 18 Uhr, Opernhaus: "Der fliegende Holländer", Oper von Richard Wagner. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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