Beethovenfest-Intendanz Nike Wagner will 2020 aufhören

Bonn · Die Urenkelin des Komponisten Richard Wagner spricht über ihre Beweggründe, ihren Vertrag nicht zu verlängern. Als Intendantin hat sie dem Beethovenfest seit 2014 ihren ganz eigenen Stempel aufgedrückt.

Das Bonner Konzertpublikum wird Nike Wagner als eine Unbequeme in Erinnerung behalten. Als Intendantin hat sie dem Beethovenfest seit 2014 ihren ganz eigenen Stempel aufgedrückt, indem sie etwa Beethovens Musik aus ganz unterschiedlichem Licht beleuchtete, sei es aus der Perspektive heutiger Komponisten, durch die Brille der historischen Aufführungspraxis oder auch gern spartenübergreifend durch performative Künste wie den Tanz.

Manchem war ihr Weg zu intellektuell, zu elitär. Beirren lassen hat sie sich von solcher Kritik nie.

Die durch ein Interview mit dem WDR bekannt gewordene Entscheidung, ihren Vertrag über die Jubiläumssaison 2020 hinaus nicht verlängern zu wollen, hat sich die Urenkelin des Komponisten Richard Wagner trotz aller Kritik an ihrem Stil nicht leicht gemacht. Die Vorgeschichte dazu begann vor etwa anderthalb Jahren, verriet sie am Donnerstag im Gespräch mit dem General-Anzeiger, als ihr ihr Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan eine „grundsätzliche Verlängerung angetragen“ habe. Die habe sie jedoch aus privaten Gründen „abgebremst“.

In weiteren Gesprächen, die mit einigem Abstand folgten, seien sie einvernehmlich zu dem Schluss gekommen, dass „2020, wie vorgesehen, das Ende meines Vertrages ist“. „Ich gehe nicht wegen irgendwelcher Ressentiments, sondern ich gehe, weil es meiner Lebenssituation entspricht.“

Stephan Eisel: "Kluge Entscheidung."

Sridharan bestätigte als Aufsichtsratsvorsitzender der Internationalen Beethovenfeste Bonn gGmbH am Donnerstag, dass es ab 1. Januar 2021 eine neue Intendanz geben wird. Der Vertrag mit Wagner ende zu diesem Zeitpunkt. Sridharan: „Ich danke im Namen aller Freunde des Beethovenfestes Frau Professor Wagner für die musikalischen Erlebnisse, die sie uns in den letzten Jahren beschert hat. Es ist ihr gelungen, eine ganz eigene künstlerische Handschrift zu präsentieren und mit neuen Formaten zu überraschen. Dazu zählen auf jeden Fall die Auftaktveranstaltung, die Musik in die ganze Stadt bringt, und auch die Matineen, die sie mit ihren geistreichen, perfekt formulierten Vorträgen zu besonderen Ereignissen zu machen verstand.“

Für die Bürger für Beethoven kommentierte deren Vorsitzender Stephan Eisel: „Nike Wagner hat eine kluge Entscheidung getroffen, denn das Jubiläumsjahr 2020 bietet sich als Einschnitt an. Sie hat die kulturelle Diskussion in der Stadt befruchtet, neue Akzente gesetzt und musste zugleich mit dem Fehlen eines angemessenen Konzertsaales leben, weil das Festspielhaus verhindert wurde. Nach 2020 brauchen wir jetzt einen neuen Aufbruch, wie ihn Dirk Kaftan mit dem Beethoven Orchester vorgemacht hat.“

Sridharan bestätigte am Donnerstag auch, dass Wagner über 2020 hinaus, falls gewünscht, daran mitwirken werde, den Übergang in die nächsten Jahre sicherzustellen. „Auch dafür gebührt ihr Dank“, so Sridharan. Peter Limbourg, Intendant der Deutschen Welle (DW), die neben der Stadt zweiter Gesellschafter des Festivals ist, würdigte sie ebenfalls: „Nike Wagner ist eine großartige Intendantin des Beethovenfestes. Ihre Entscheidung haben wir zu respektieren. Jetzt freuen wir uns mit ihr auf ein wunderbares Jubiläumsjahr 2020.“

Laut Sridharan soll in Kürze eine Findungskommission eingesetzt werden, die mit der Suche nach einer neuen Intendanz, der dann auch Gelegenheit gegeben werden soll, sich einen Geschäftsführer nach eigener Wahl an die Seite zu holen.

Das bedeutet, dass der jetzige kaufmännische Geschäftsführer und stellvertretende Intendant, Dettloff Schwerdtfeger, gehen wird. Wagner kommentiert diesen Schnitt: „Ich halte das für sehr riskant. Weil er sich mit dem schwierigen Zahlenwerk auskennt und man das nächste Jahr abfedern muss.“

Wagner: "Der gefüllte Saal ist kein Indiz für Qualität."

Das Leitungsduo war im vergangenen Herbst in die Schlagzeilen geraten, nachdem beim Beethovenfest 2018 ein Defizit über einen Betrag von 667 000 Euro bekannt geworden war. Das habe man jedoch vollständig ausgleichen können, betonte sie.

In diesem Zusammenhang war Wagner auch für den Besucherrückgang kritisiert worden. „Das hat aber mit meiner jetzigen Entscheidung nichts zu tun“, unterstrich sie. „Für mich ist der gefüllte Saal kein Indiz für die höchste Qualität. Konzerte, die nicht ausverkauft waren, konnten dennoch zu den aufregendsten und besten zählen.“

Ursache für den 2018 besonders signifikant ausgefallenen Besucherrückgang sieht die Intendantin vor allem darin, dass das World Conference Center Bonn (WCCB) als Ersatzspielstätte nicht angenommen wurde. „Da ist die Stadt mit in der Verantwortung“, sagte sie. Umso glücklicher ist sie darüber, dass dem Beethovenfest 2021 die Oper zur Verfügung stehen wird.

Kritik gab es allerdings auch daran, dass sie öffentlich den verurteilten Sexualstraftäter Siegfried Mauser verteidigt hatte. Das letzte Engagement des Pianisten und und ehemaligen Münchner Musikhochschulrektors, der regelmäßig Gast beim Beethovenfest war, hatte sie erst auf öffentlichen Druck hin gekündigt. „Ich habe mich bei dieser Entscheidung auch von Mitgliedern des Aufsichtsrats belehren lassen“, sagte sie.

Das Publikum braucht Geduld

Aber das Publikum hat sich auch an inhaltlichen Dingen gerieben. Diese Neuausrichtung sei nach der Ära Ilona Schmiel von der Stadt gewollt worden. „Ich habe das gebracht, was vonseiten der Politik und des Aufsichtsrats gewünscht war: ein etwas verkleinertes Festival und eines, das Neuerungen bringt. Ich glaube, das ist mir geglückt. Ich habe sehr darauf geachtet, dass wir Beethoven in Geschichte und Gegenwart verankern und kein museales Festival machen.“ Im Übrigen finde sie ihre Neuerungen eher moderat: „Ich kann nicht behaupten, dass ich Bonn wirklich ins 21. Jahrhundert geschoben hätte. Aber die Politik hat wohl eines nicht bedacht: Wenn man Neuerungen einführt, die einem eher konservativen Publikum widersprechen, geht die Zustimmung für ein Festival erst einmal zurück.“ Man müsse Geduld aufbringen, bevor solche Neuerungen auch von einem breiten Publikum akzeptiert würden.

Als negative Erfahrungen mit Bonn führt sie denn auch an, dass „hier konservative bis rückwärts gerichtete Kreise Einfluss auf die Politik nehmen“. Wagner: „Das halte ich für ungut. Das Abspielen aller neun Sinfonien kann nicht der Sinn eines Beethovenfestes sein.“

Die Hauptsponsoren aber seien ihr auf ihrem Weg immer gefolgt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort