Premiere im Theater Bonn Vor Falschgeld wird gewarnt

Bonn · Eine Art globalisiertes Monopoly: Das Theater Bonn geht mit seinem theatralen Experiment „Diplomatinnen des Todes“ ins Haus Bildung.

 Spiel des Lebens: Lara Waldow (links) und Sabine Lindlar in „Diplomatinnen des Todes“.

Spiel des Lebens: Lara Waldow (links) und Sabine Lindlar in „Diplomatinnen des Todes“.

Foto: beu

Um es gleich vorweg zu sagen: Der reißerische Titel des Spiels klingt aufregender als das, was tatsächlich passiert. Das vom Schauspiel Bonn in Kooperation mit der VHS anlässlich des 20. Jubiläums der UN-Stadt Bonn produzierte theatrale Experiment „Diplomatinnen des Todes“ ist eine Art globalisiertes Monopoly. Konzipiert von dem 2010 gegründeten Berliner Kollektiv „Prinzip Gonzo“, das 2015 den Ersten Preis des virtuellen Nachtkritik-Treffens für „Spiel des Lebens“ gewann und mit der Serie „Monypolo“ nachlegte.

Interaktive Formate haben Konjunktur in der Theaterszene. Man darf also mitspielen beim Pokern um Einfluss auf einem fiktiven Kontinent, dessen 16 Staaten sich zur Una zusammengeschlossen haben. In der Mitte liegt Midigura, das nach einem Putsch den Ausstieg aus der Gemeinschaft anstrebt.

Im großen Saal des Hauses der Bildung sind bei einer Benefiz-Gala also Verhandlungen angesagt. Die Mitwirkenden erhalten eine Staatsangehörigkeit und werden freundlich an ihren Stehtisch geleitet. Beispielsweise zum Team von Iwesso, am westlichen Rand des Kontinents gelegen. Gut ausgestattet mit Bergwerken, einem treuen Militärapparat, einem staatlich organisierten Gesundheits- und Bildungssystem sowie im Besitz von Post, leidlich funktionierendem ÖPNV und Kulturverträgen mit den Nachbarn. Leider fehlen dem kleinen Land Wasser, Kapital und diplomatischer Schliff. Dafür hält es aber eisern fest an der moralischen Gemeinschaft und lässt sich vom eloquenten Vorsitzenden der Wirtschaftskommission (Manuel Zschunke) nicht bestechen. Um Einfluss-Punkte zu sammeln, müsste Iwesso Eigentum verkaufen, Fremdverträge abschließen oder der charmanten ehemaligen Präsidentin (Ursula Grossenbacher) Autogrammkarten abluchsen. Ein Selfie mit dem Putschisten (Benjamin Berger) wäre auch nützlich.

Vor Falschgeld wird lautstark gewarnt, während der Showmaster (Philipp Basener) die Lostrommel dreht. Wer eine Niete zieht, kann sich mit einem nationalen Charity-Chor (sängerische Hilfe anderer Staaten ist Verhandlungssache) immer noch Punkte erobern. Oder am NGO-Stand (sympathisch betreut von Daniel Gawlowski) mit Reiskörnern oder Legosteinchen an der Weltrettung basteln.

Jedes Land sollte seinen Tisch übrigens gut bewachen, denn es wird gelegentlich schamlos geklaut. Diesbezüglich hatte Iwesso nichts zu beichten, kam also nicht in den Genuss einer heimlichen Absolution (Benjamin Grüter), führte stattdessen aber Verhandlungen in einem Geheimkabinett. Mit 17 Einfluss-Karten (schafft man nur mit krimineller Energie) war ein Land, das gegen das mächtige Midigura eine Nordallianz schmiedete, bei der Premiere der Gewinner. Nützte aber nicht viel, weil eine klare Mehrheit gegen den „Mexit“ stimmte. Wie das kleine Iwesso (mit gerade mal zwei Einflusskarten eindeutiger Spielverlierer) immerhin einige neue Kulturverträge verbuchte. Für weitere szenische Momente sorgten außerdem noch die Schauspielerinnen Sabine Lindlar, Helena Niehaus und Lara Waldow sowie allerhand Talente aus Regie, Dramaturgie und sonstigen Bühnen-Angestellten. Die freiwillig Mitwirkenden stellten bei der Uraufführung eine durchaus spielfreudige Minderheit.

Die nächsten Vorstellungen können ganz anders verlaufen. Diplomatischer Dresscode: Casual. Internationale Erfahrungen: Rudimentäre Sprachkenntnisse genügen, beim Lesen der Spielregeln kann eine Lupe nicht schaden. Rucksäcke müssen aus Sicherheitsgründen an der Garderobe deponiert werden. Beim Erscheinen von Pokemons wenden Sie sich an die Schauspiel-Direktion oder das Volkshochschul-Personal. Mit den Mobiltelefonen auf den Tischen kann man auch die eigene Regierung (in der Regel besetzt) oder Freunde/Feinde in Nachbarstaaten anrufen. Ansonsten kann man auch das alte Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Brett aus dem Keller holen. Wäre aber längst nicht so witzig wie die dramatische zweistündige Live-Tagung der Una in der ehemaligen Bundeshauptstadt.

Nächste Vorstellungen am 7. und 13. Oktober um 19.30 Uhr; zahlende Mindestteilnehmer 20, maximale Kapazität ca. 60. Sitzplätze gibt es zur Not auch, aber Standfestigkeit ist besser. Karten u.a. bei Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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