Thomas Neuhoffs glänzendes Porträt Verbeugung vor Leonard Bernstein

Bonn · "I hate music, but I like to sing", hatte der musikalische Tausendsassa Leonard Bernstein seinen ersten Liederzyklus genannt.

Treffender hätte Thomas Neuhoff, nach 32 Jahren scheidender Direktor des Philharmonischen Chors der Stadt Bonn, das Motto dieses Komponistenporträts kaum wählen können: "I hate music, but I like to sing", hatte der musikalische Tausendsassa Leonard Bernstein seinen ersten Liederzyklus genannt, eine Liebeserklärung an die Lust zu musizieren, eine Absage an musikalische Eitelkeiten.

Entstanden 1943, im Jahr, als der Mittzwanziger Bernstein als Einspringer für Bruno Walter bei den New York Philharmonics für Furore sorgte, hatte Neuhoff diesen, von Elena Harsány charmant vorgetragenen Zyklus, zum Auftakt gewählt, um dem Facettenreichtum in Bernsteins Vokalmusik nachzuspüren.

Nicht ganz uneigennützig, denn die Matinée im für diesen Anlass viel zu kleinen Kammermusiksaal stand im Zeichen des zu erwartenden grandiosen, aber leider bereits ausverkauften Abschiedskonzert am 10. Mai in der Kölner Philharmonie: Bernsteins, wegen seiner Mammutbesetzung selten aufgeführter Genrezwitter "Mass. A Theater Piece for Singers, Players and Dancers" wird zu erleben sein.

Diesem stilistischen Crossover war der zweite Teil dieser Einführung vorbehalten. Das Auftragswerk, 1971 vor dem Hintergrund des Vietnam-Kriegs und der Flower-Power-Bewegung aus der Taufe gehoben, fragt nach der Sinnhaftigkeit überkommener religiöser Wertvorstellungen und Rituale, indem eine Messe durch Provokationen von "außen" gesprengt wird und der Zelebrant einen Nervenzusammenbruch erleidet.

Der "PhilCor" samt seiner exzellenten Gesangssolisten gab, von einem Schlagwerk-Ensemble unter Ansgar Buchholz und Neuhoff am Flügel begleitet, eine Reihe teils amüsanter Kostproben und erwies sich einmal mehr als rhythmisch gewiefter, intonationssicherer, vor allem aber lebendig gestaltender Klangkörper.

Zuvor waren Neuhoffs Sänger und Vokal- und Instrumentalsolisten in Ausschnitten von Bernsteins "Candide" (1956), "West Side Story" (1957), den Chichester Psalms (1965) und "Arias and Barcarolles" (1989) zu hören gewesen. Ein inspirierter und inspirierender Vormittag.

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