Sensible Interpretation der "Winterreise"

Sankt Augustiner Initiative eröffnet mit einem grandiosen Vortragsabend ihre neue Musikreihe

  Sicher und stimmschön:  Der Bariton Erik Sohn interpretiert Schuberts "Winterreise". Am Klavier begleitet ihn Dominikus Burghardt.

Sicher und stimmschön: Der Bariton Erik Sohn interpretiert Schuberts "Winterreise". Am Klavier begleitet ihn Dominikus Burghardt.

Foto: Lannert

Sankt Augustin. "Auf etwas Gelungenes aufmerksam zu machen, ist das angenehmste Geschäft, dem sich ein Kunstfreund unterziehen kann." Diese Aussage stammt aus der Feder eines Rezensenten der Wiener "Theaterzeitung" vom 29. März 1828.

Damals war gerade der erste Teil eines Liederzyklus erschienen, der nach zaghaft-zurückhaltenden Anfängen im Konzertsaal ganz im Geiste besagter Erstbesprechung seinen Siegeszug über die Konzert-Bühnen der Welt machen sollte: Schuberts "Winterreise."

Als überaus gelungen darf auch eine Aufführung der "Winterreise" bezeichnet werden, mit der eine in Privatinitiative geschaffene, neue Veranstaltungsreihe ihre Premiere feierte. Erik Sohn (Bariton) und Dominikus Burghardt (Klavier) boten in Haus Menden im Sinne einer "Schubertiade" eine hoch sensible Interpretation der "Winterreise", die mit ihrer Ausdrucksintensität und Konzentration auf das dichte Wort-/Tonverhältnis der vierundzwanzig Lieder besonders gefiel.

Das depressive, innerlich zerbrechliche Moment der Gedichte Wilhelm Müllers, die Schubert mit dem Ausdruck ebensolcher innerer Verzweiflung wie Trübsinnigkeit vertont, macht den Vortrag sicherlich zu schwerer Kost.

Doch der Kölner Erik Sohn fesselte sein Publikum mit einem geradezu betroffen machenden, zutiefst berührenden Vortragsanspruch. Sein Bariton besitzt in der Mittellage ein wunderbar schimmerndes Timbre, das sich auch in den Grenzbereichen der Bass- und Tenorlage sicher und stimmschön zu bewegen wusste.

Packend, wie Sohn bereits im eröffnenden "Gute Nacht" die Gefühlswelt eines Verlassenen nachzuzeichnen vermag. Ergreifend, wie bei ihm auch der "Lindenbaum" und der "Frühlingstraum" sensible Momente der Trauer und des Abschieds offenbaren.

Dabei verlangen die Lieder nach einer einfühlsam-zurückhaltenden Begleitung. Die war mit dem Dominikus Burghardt durchweg gewährleistet. Der Pianist bewahrte etwa die hintergründige Schlichtheit der "Wasserflut" und zeigte technisches Können in so fordernden Liedbegleitungen wie der "Erstarrung".

Das bescherte dem Publikum im Haus Menden auch knapp zweihundert Jahre nach der Komposition der "Winterreise" lebendige, berührende Hörerlebnisse.

Nichts anderes wünschen sich die Organisatoren der neuen Reihe "cantando - parlando" - singend und sprechend sollen sich die folgenden Aufführungen der Augustiner Initiative gestalten und dabei der Musik und Literatur ein neues Podium bieten.

"Stilistisch und inhaltlich sind wir auch für Wünsche und Anregungen von außen offen", sagt Krafft-Aretin Eggert, der mit Dominikus Burghardt und Georg Schwickart die Idee aus der Taufe gehoben hat.

Als Architekt hat Eggert das Haus Menden 1988/89 gebaut und umgebaut, als Musikliebhaber arbeitet er nun am Aufbau der neuen Reihe mit. Geplant sind drei bis vier Konzerte pro Jahr. Schuberts Zyklen "Die schöne Müllerin" und "Schwanengesang" werden im Juni und Herbst folgen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ein Virtuose mit viel Gefühl
Konzert mit Bruce Liu in der Philharmonie Köln Ein Virtuose mit viel Gefühl
Zum Thema
Aus dem Ressort