Schrullige Wirtin macht vorlaute Bemerkungen

"Wer woar dat?" beleuchtet 23 Frauenschicksale im Ahrweiler Kreisstadt-Museum - Hexenfolter, Heimatdichtung, Glaubenskampf und sexuelle Aufklärung

  Frauenschicksale  beleuchtet die Ausstellung, die Heike Wernz-Kaiser (rechts) mit ihrem Team zusammengestellt hat. Hans-Ulrich Tappe (3. von links) ist voll des Lobes.

Frauenschicksale beleuchtet die Ausstellung, die Heike Wernz-Kaiser (rechts) mit ihrem Team zusammengestellt hat. Hans-Ulrich Tappe (3. von links) ist voll des Lobes.

Foto: Vollrath

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Schon gewusst, dass Meteriola aus dem 5. Jahrhundert nach Christus die erste namentlich bekannte Christin in der Region ist, dass Margaretha von Marck, Fürstin von Arenberg, Bildung als Mittel gegen den Hexenwahn propagierte, dass Els Thönnissen aus Pützfeld, die eines ihrer neun Kinder durch Pocken verlor und drei durch die Pest, 1649 verhaftet, später gefoltert und mit dem Strick vom Leben zum Tode gebracht wurde?

Wer erinnert sich an Maria Magdalena Kirfel, Druckereileiterin und Redakteurin, die im Kulturkampf mutig für die katholische Sache eintrat und dafür ab 1876 elf Monate lang im Koblenzer Gefängnis saß?

Denkt noch jemand an Emma Trosse, Heimatdichterin und Aufklärungsautorin zu sexuellen Fragen, an die Seherin Buchela, Apothekerin Auguste Clemens, Anna von Ehrenwall, Frau des Klinikgründers, an die Konzertsängerin Marga Plachner-Nückel oder die Landfrau Gertrud Cläsgens?

Die Ausstellung "Wer woar dat?" im Kreisstadt-Museum geht "Auf den Spuren von Frauen aus dem Kreis Ahrweiler" 23 weiblichen Schicksalen und Lebenswegen nach. Rar sind die Zeugnisse gesellschaftlicher Leistungen von Frauen, die weit weniger gewürdigt und festgehalten wurden als die von Männern.

Daher hatte es das Ausstellungsteam (Museumsleiterin Heike Wernz-Kaiser, Gleichstellungsbeauftragte Evelyn Dirks, Kreisarchivar Leonhard Janta, sowie Rita Lauter, Werner Mertens und Anita Saal) schwer, "Frauen zu finden, deren Existenz über eine namentliche Erwähnung hinaus dokumentiert ist".

Doch Bürgermeister Hans-Ulrich Tappe stellte nicht als einziger fest, "wie anschaulich das komplexe Thema" umgesetzt wurde. Fotos und Ölgemälde zeigen die Portraitierten. Gebetbuch und Schulkochbuch, Takenplatte (Ofenplatte) oder Zigarrenkistchen - was sich den jeweiligen Frauen zuordnen ließ, rundet ihr Bild ab.

Das war für die kulturell engagierte Erika Böttcher-Kühn ein Plakat ihres Musiktheaters "Vulkan und Sekt" zur Uraufführung 1958 im Kurtheater, bei der ledigen Landfrau Elisabeth Schäfer ein sauber aus lauter Flicken zusammengenähtes Nachtgewand. Die Schau sei ein Zwischenschritt, sie wolle zu Forschungen über Frauen im Ahrkreis anregen, sagte der Stadtchef.

Über den guten Vernissage-Besuch wunderte er sich nicht. Tappe markig: "Wenn Ausstellungen einen regionalen Bezug haben, strömen die Leute nur so hierhin." Für Landrat Jürgen Pföhler überbrachte Kreisbeigeordneter Werner Schüller Grüße und strich besonders die Leistungen der Frauen heraus, "die in harten Kriegszeiten den Weinbau und die Landwirtschaft ohne ihre Männer weiterführen mussten".

Alle drei Redner mussten sich vorlaute Einwürfe eines selbstbewussten Frauenzimmers gefallen lassen. Rita Lauter mimte in Erinnerung an die schrullige Ahrweiler Gastwirtin Katinka Lingen das liebenwerte Original.

Als Heike Wernz-Kaiser bemerkte, "eine Frau hatte fleißig und engagiert, leidensfähig und hilfsbereit zu sein, dies war selbstverständlich und bedurfte keiner besonderen Erwähnung", kommentierte Lauter etwa ungerührt, "ich hab immer jetan, wat ich wollte". Erwähnte die Museumsleiterin die bis vor einigen Jahrzehnten für Frauen dominierenden drei K, Küche, Kinder, Kirche, meinte die lebenslustige Katinka, "ich hab lieber in der Wirtschaft bei meinen Gästen gesessen".

"Wer woar dat?" beleuchtet die Biografien von Frauen unterschiedlichster Herkunft und Bildung im weitgespannten Zeitbogen vom 5. bis zum 20. Jahrhundert. Allen 23 ist gemeinsam, "dass sie sich entweder über das ihnen zugestandene Rollenverständnis hinweggesetzt haben und profiliert haben oder in ihrem Alltag Menschen durch ihr Wesen und ihre Leistungen so beeindruckt haben, dass sie in Erinnerung geblieben sind", sagte Wernz-Kaiser.

Zur Ausstellung, die bis zum 18. April zu spannenden Entdeckungen einlädt, liegt eine bebilderte Broschüre vor. Anlässlich des Weltfrauentages und verbunden mit der Ausstellung gibt es am Montag, 8. März, 20 Uhr, im Sitzungssaal des Rathauses eine Konzertshow "Vergessene Duelle - Clara Schumann demontiert ihre Legende" vom "Theater Wilde Mischung Berlin".

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