Gespräch vor der Premiere Rubén Dubrovsky dirigiert am Sonntag Händels "Xerxes"

Bonn · Der in Argentinien geborene Musiker entdeckt in der Barockoper südländische Rhythmen.

 „Jede Rolle bekommt etwas sehr Charakteristisches“: Rubén Dubrovsky bei der Probe mit Sängern in Bonn.

„Jede Rolle bekommt etwas sehr Charakteristisches“: Rubén Dubrovsky bei der Probe mit Sängern in Bonn.

Foto: THILO BEU

In seiner Oper „Xerxes“ gönnt Georg Friedrich Händel seinen Zuhörern nur ein paar Minuten Ouvertürenzeit, bis sie emotional auf eine zu Herzen gehende Musik umschalten müssen. Dann tritt der Titelheld auf und singt die berühmteste Arie des Werks und eine der berühmtesten des Komponisten überhaupt: „Ombra mai fu“, eine Melodie, die im 19. Jahrhundert als „Händels Largo“ in keinem Notenschrank eines bürgerlichen Salons, in dem ein Klavier stand, fehlen durfte.

Rubén Dubrovsky, der nach Vivaldis „Orlando Furioso“ 2008 und Händels „Tamerlano“ 2011 mit der Premiere des „Xerxes“ am Sonntag nun seine dritte Barockoper in Bonn dirigiert, hält den schnörkellosen Beginn für eine kleine Opernrevolution. Hier scheint die Zeit stillzustehen, noch bevor die eigentliche Handlung einsetzt. „Händel schafft es, damit schon so viel zu etablieren: den Charakter dieses Diktators, der mit den Menschen nicht gut kann, aber mit einer Platane“, formuliert er bewusst salopp. Tatsächlich besingt der Titelheld in dieser Szene ein Exemplar dieser Spezies mit einer geradezu verstörenden Innigkeit.

Händels 1738 in London uraufgeführter „Xerxes“ zählt zu den späten Opern des Komponisten, der Stil sei wesentlich reifer als etwa in der 27 Jahre vorher entstandenen Oper „Rinaldo“, die 2014 in Bonn zu erleben war, meint Dubrovsky. „,Rinaldo' ist oft unnötig an der Grenze der sängerischen Möglichkeiten. Händel wurde dann schlauer und wusste genau, was man braucht, damit es gut klingt.“

Der stilistische Unterschied liegt freilich nicht nur in der zeitlichen Differenz zwischen dem Jugendwerk und dem reifen Stil, sondern ist darin begründet, dass die spätere Oper gattungsgeschichtlich eher der Komödie zugerechnet werden muss, was schon der Plot verrät: Der persische König Xerxes ist zwar verlobt, doch als er von einer Liaison seines Bruders Arsamene mit Romilda erfährt, will er sie prompt selber haben und bestimmt ausgerechnet Arsamene als seinen Kuppler. Mit dem Vorgehen sind natürlich vor allem zwei Menschen nicht einverstanden: sein Bruder Arsamene und Amastre, Xerxes' Verlobte. Am Ende und nach zahlreichen Finten, Verwechslungen und Intrigen finden Arsamene und Romilda aber doch noch zueinander.

Spanische Einflüsse

Händel hat die einzelnen Figuren keineswegs holzschnittartig gestaltet, sondern sehr individuell. Dubrovsky: „Jede Rolle bekommt etwas sehr Charakteristisches, etwas sehr Schönes. Wir hören keine barocken Standards.“ Mit der berühmten ersten Arie des Titelhelden, die Händel für einen Kastraten schrieb und in Bonn von der Sopranistin Luciana Mancini gesungen wird, hat Händel sein musikalisches Pulver freilich noch längst nicht verschossen. Dubrovsky, der vor 50 Jahren in Argentinien geboren wurde und in seiner Wahlheimat Wien als Mitbegründer und Leiter des Bach Consort in die Welt der Alten Musik eintauchte, entdeckt im „Xerxes“ zahlreiche spanische Einflüsse. „Mir gefällt sehr diese rhythmische, südländische Qualität der Musik. Es gibt viele Arien, die man wirklich als spanische Volksmusik bezeichnen könnte.“ Auch das Libretto stehe unter spanischem Einfluss, namentlich Lope de Vegas Spuren seien darin nachzuweisen, erzählt er.

Die wechselseitigen Einflüsse im Barockzeitalter, die sich sogar in der süd- und mittelamerikanischen Musik finden (Dubrovsky: „Die erste Sarabanda wurde in Mexiko nachgewiesen“), interessieren den Dirigenten brennend. In dem Konzertfilm „Bach to the Roots – von Leipzig nach Afrika“, kann man Dubrovskys spannende Spurensuche nachverfolgen.

Premiere am Sonntag, 18 Uhr, im Opernhaus Bonn. Karten auch für alle weiteren Termine in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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