Rheinisches Platt ist drei Mal so alt wie Hochdeutsch

Elmar Heinen führt beim Kulturverein Bungertshof in die Feinheiten der Siebengebirgs-Dialekte ein

"Övver et Platt"  erzählt Elmar Heinen im Bungertshof.

"Övver et Platt" erzählt Elmar Heinen im Bungertshof.

Foto: Frank Homann

Siebengebirge. (oro) So ganz verschieden reden sie natürlich nicht, die "Löck" aus dem "Sebbejebirch". Aber so gewisse Unterschiede - die gibt es doch rund um den Drachenfels.

Über Dialekte im Siebengebirge sprach Elmar Heinen bei einer Veranstaltung des Kulturvereins Bungertshof. Nachdem er die "leev Küüze, Wegge, Öllichsköpp, Läddeköpp, Huusecke, Heudräje, Ässelsdriive und wat sons noch em Saal es" begrüßt hatte, führte er in die Feinheiten der Mundart ein. Und das konsequent in eben derselben. Heinen ist ja Experte. Er leitet den Arbeitskreis "Siebengebirgsplatt" innerhalb der Heimat- und Geschichtsvereine von Beuel bis Unkel.

Der Kreis untersucht, was heute im Sprachgebrauch noch gängig ist und wo lokale Differenzen stecken. Ein Fernziel ist ein Wörterbuch für diesen Raum. "Aber ob das erreichbar ist, kann ich nicht sagen", so der Jurist, der ja nicht nur den Leuten auf den Mund schaut, sondern sich ebenso Meriten um Heimatgeschichte und um den Naturschutz im Siebengebirge erworben hat. Seit frühesten Kindertagen hat Elmar Heinen Platt gesprochen, auf dem Schulhof und auf der Straße.

Aber so richtig ließ er sich von seiner Heimat und damit auch ihrer Sprache fesseln, nachdem er sie im Krieg gezwungenermaßen hatte verlassen müssen. Bevor er nun seinen Zuhörern "övver et Platt" etwas erzählte, stellte er klar, "dat ich net he von Dolldrp sen, sondern von nävvenaan von Königswinter". Dort würde Dollendorf "Dollendorf" genannt.

Heinen: "Onjefähr wi op Huudeutsch." Wobei er unter Hochdeutsch nicht das im wissenschaftlichen Sinn von Ober- und Mitteldeutsch meinte, sondern das Schriftdeutsch, das "wi mer et en de Scholl jeliert han".

Platt sei alles andere als ein verkorkstes Hochdeutsch, vielmehr eine alte, gewachsene Sprache und dreimal so alt wie das Hochdeutsch. "Schwätz, wi de de Muul jewaaße es", hatte der Honnefer Heimatdichter Franzjosef Schneider geschrieben. Dieses Gedicht aus Schneiders erstem Buch "Et Freudeblömche" trug Elmar Heinen als Einstieg vor. Anhand von Übersichtskarten zeigte er, wo welche Mundart gesprochen wird.

Das Platt am Siebengebirge gehöre zum ripuarischen oder Kölner Sprachraum - damit stelle sich die Frage nach der Grenze zwischen dem Ripuarischen und dem Moselfränkischen. Heinen verwies auf Experten, die mit dem Kennwort "Dorf/Dorp" die Zugehörigkeit erklären. Womit Heinen allerdings seine Probleme hat. Die Grenze zwischen Dorf und Dorp oder Dörp laufe mitten durch das Siebengebirge. In Dollendorf heiße es Dorp oder zusammengezogen Dolldrp, in Pleis Dörp, aber in Rhöndorf, Aegidienberg und weiter am Rhein herauf Dorf.

Wäre also die Theorie richtig, müsste das Platt von Honnef, Rheinbreitbach und Unkel doch Moselfränkisch sein, schlussfolgerte der Referent. Der 79-Jährige verglich Wörter aus Honnef mit denen aus Neuwied wie zum Beispiel breit und bräät und war sich demzufolge sicher, dass das Platt aus dem südlichen Siebengebirgsraum viel mehr verwandt ist mit dem aus Köln oder Bonn als mit jenem aus Koblenz oder Neuwied.

Diese Hinweise waren natürlich besonders interessant für die zahlreichen Besucher aus Honnef. Heiterkeit, als Heinen einen "Jewährsmann" zitierte, der 1799 bei einer Reise rheinab hinter Brohl notierte: "Es ist, als wenn sich dort das schneidende Gekreisch der Koblenzer in ein melodisches Gurgeln verwandelt." Bedeutenden Einfluss auf die Sprache hätten weniger alte Territorialgrenzen, sondern vielmehr Zentren wie Köln gehabt, so Elmar Heinen.

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