CD-Tipp Renaud: Poesie und Polizei

Bonn · Der französische Sänger Renaud hat nach sieben Jahren ein neues Album herausgebracht.

 Das Motiv des neuen Albums: Renaud, nachdenklich.

Das Motiv des neuen Albums: Renaud, nachdenklich.

Foto: Warner

Das hätte er früher nicht gesungen, der alte Anarcho Renaud. Das erste Stück seines neuen, in Frankreich sensationell erfolgreichen Albums „Renaud“ heißt „J'ai embrassé un flic“.

Das Stück erinnert an die große Demonstration in Paris nach dem Anschlag auf das Magazin „Charlie Hebdo“ 2015. Das lyrische Ich des Sängers geht auf einen sympathisch erscheinenden Polizisten zu – und umarmt ihn: „Et pour la première fois / De ma vie d'anarchiste / J'suis allé embrasser un flic.“ Eine jubilierende Trompete unterstreicht die historische solidarische Geste.

Renaud Séchan, 63, gehört zu den größten Stars des französischen Chansons. Sieben Jahre hat er kein Album veröffentlicht. Seine Rückkehr hat das Publikum in Frankreich offenbar herbeigesehnt. Von „Renaud“ – 13 neue Stücke und ein „hidden track“ – hat seine Plattenfirma in nur vier Tagen rund 200 000 Exemplare abgesetzt.

Herz und Stimme für die kleinen Leute

Renaud stammt aus bildungsbürgerlichem Haus, doch er hat stets ein Herz und eine Stimme für die kleinen Leute gehabt. Und für Kinder, die er vergöttert und idealisiert wie einst Rousseau. „Ta batterie“, eine zärtliche Liebeserklärung, hat er seinem Sohn Melone gewidmet. In den besten Stücken des Albums wird der Sänger, der seine Texte selbst schreibt, persönlich. Erzählt vom Alter sowie vom miesen und zu kurzen Leben: „La vie est moche et c'est trop court.“ Renaud drückt seine Gefühle für die ermordeten Journalisten von „Charlie Hebdo“ aus, wo er früher als Kolumnist gewirkt hat.

Er gedenkt der Toten im jüdischen Hyper Cacher in Paris. Er feiert in dem Chanson „Les mots“ die Kraft des Wortes und der Poesie. Die Musik ordnet sich den Geschichten unter, die Renaud mit rauer Stimme entwickelt. Das klingt nach Tradition mit E-Gitarren, Streichern, Akkordeon und Orgel. Renaud hat einen Ruf als sarkastische Nervensäge. 2016 zeigt er vor allem seine sensible Seite – den singenden Dichter.

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