GA-Gespräch mit Will Humburg Premiere nach 169 Jahren

Bonn · Der Dirigent Will Humburg, der am Sonntag in Bonn die deutsche Erstaufführung von Giuseppe Verdis „Jérusalem“ leitet, spricht über die musikalischen Qualitäten des Werkes.

 „Wirklich starke Musik“: Probenfoto aus der Bonner Inszenierung von Verdis „Jérusalem“.

„Wirklich starke Musik“: Probenfoto aus der Bonner Inszenierung von Verdis „Jérusalem“.

Foto: Thilo Beu

Man darf es durchaus als eine kleine Sensation betrachten, wenn ein Theater wie das Bonner die szenische deutsche Erstaufführung einer Oper von Giuseppe Verdi in der Originalsprache auf die Bühne bringt. „Jérusalem“ heißt das Werk und wurde, wie die Schreibweise des Titels schon verrät, nach einem französischen Libretto komponiert. Opern, die zurecht vergessen seien, gebe es selbst unter denen Verdis, meint der Dirigent und Verdi-Spezialist Will Humburg, der am Sonntag die Bonner Premiere dirigieren wird. Dieser aber gehöre definitiv nicht dazu: „'Jérusalem' hat wirklich sehr starke Musik“, findet Humburg. „Ich verliebe mich in jeder Probe mehr in das Stück. Es hat wirkungsvolle Chöre, tolle Arien und Duette. Ich wundere mich, dass dieses Stück so vergessen worden ist. Es hat sogar einen guten Plot, dessen – natürlich unfreiwillige – Aktualität nicht zu übersehen ist“, sagt Humburg und verweist auf die Kreuzzüge, in deren Zusammenhang die Handlung der Oper spielt.

Dass „Jérusalem“ in Deutschland nahezu unbekannt ist, kann nach Meinung des regelmäßig am Bonner Haus dirigierenden Musikers eigentlich nicht daran liegen, dass es sich um eine Umarbeitung eines anderen Werkes aus der Feder des Komponisten handelt. Das Original, „I Lombardi“, zähle ja ebenso wenig zu den großen Verdi-Hits. Tatsächlich hat der Komponist sein 1843 uraufgeführtes Drama als Grundlage für sein Debüt in Frankreich genommen, wo er mit italienischer Oper nicht punkten konnte. Die Gattung „Grand opéra“, die man bei Verdi bestellte, verlangte einige spezifische Regularien, denen eine einfache Übersetzung ins Französische nicht gerecht geworden wäre. Und so schrieb Verdi das Original auch musikalisch radikal um.

Humburg findet, dass die so entstandene in Paris 1847 erstaufgeführte Fassung „Jérusalem“ „sehr viel besser“ sei als die originalen „Lombardi“ und belegt dies unter anderem mit einem Vergleich der Rezitative, die musikalisch sehr viel „flächiger“ ausgearbeitet seien, nicht nur mit trockenen Akkorden. Insgesamt fielen Verdis Eingriffe und Überarbeitungen so stark aus, dass sich sogar eine Rückübersetzung ins Italienische lohnte. Und so fand „Jérusalem“ unter dem Titel „Gerusalemme“ bereits 1850 an der Mailänder Scala auch in Italien mit der neuen Handlung, die dem Werk von den Librettisten Alphonse Royer und Gustave Vaëz auf die französischen Bedürfnisse hin unterlegt worden waren, Beachtung. Die Konvention der „Grand opéra“ verlangte überdies ein Ballett, was Verdis deutsche Antipode Richard Wagner noch Jahre später auch in der Pariser Fassung seines „Tannhäuser“ zu berücksichtigen hatte.

Die Tanzeinlage wird man in Bonn jedoch nicht erleben. „Verdi hat selbst gesagt, dass man das Ballett am ehesten streichen könne. Es ist sehr lang und hält die Handlung unnötig auf“, sagt er. Die Musik aber findet der Dirigent gar nicht einmal schlecht. Humburg, der seit Beginn der Spielzeit 2014/2015 Generalmusikdirektor in Darmstadt ist, könnte sich etwa vorstellen, die über zwanzigminütige Nummernfolge separat von der Opernvorstellung ins Programm eines Sinfoniekonzertes zu nehmen.

Was das Geschehen auf der Bühne angeht, legt Humburg größten Wert auf die Einheit von Musik und Szene. „Deshalb arbeite ich auch gern mit Regisseuren wie Dietrich Hilsdorf zusammen“, sagt er. Mit ihm wird er im Rahmen des Bonner Zyklus mit frühen Verdi-Opern in der kommenden Saison den „Attila“ zur Aufführung bringen. In „Jérusalem“ ist der Regisseur Francisco Negrin sein Partner. Auch hier läuft die Zusammenarbeit sehr gut, findet Humburg. Auch für den Regisseur ist Verdis „Jérusalem“ Neuland. Erfahrung mit dem Werk hat eigentlich nur der Bassist Franz Hawlata, der mit Roger eine der Hauptrollen übernimmt. Er hat die Partie vor einigen Jahren in Wien gesungen, wo der Sänger seit mehr als 20 Jahren im Ensemble der Staatsoper engagiert ist.

Premiere am Sonntag, 18 Uhr, Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen

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