Meisterkurs im Beethoven-Haus Nuancen und Explosionen

Bonn · Im Meisterkurs mit Steven Isserlis im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses feilen junge Musiker an ihren Fertigkeiten. Die Schüler sind begeistert.

 Konzentration: Cellistin Chiara Enderle und Steven Isserlis.

Konzentration: Cellistin Chiara Enderle und Steven Isserlis.

Foto: Horst Müller

Look at the score!“ In die Noten sollen sie schauen, die Teilnehmer des Meisterkurses mit dem Cellisten Steven Isserlis, der im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses stattfindet. Es ist ein handverlesener Kreis von gerade einmal vier Teilnehmern, allesamt bereits gestandene Musiker mit abgeschlossenem Studium, Wettbewerbserfolgen und Konzerterfahrung. In Bonn wollen sie weiter an ihren musikalischen Fertigkeiten feilen, sich Inspiration holen und auf einem hohen Niveau arbeiten. „Es ist ein total schönes Konzept hier“, sagt Chiara Enderle, die von der netten Atmosphäre und den optimalen Arbeitsbedingungen in Bonn schwärmt.

„Es ist schön, sich nur auf die Musik zu konzentrieren.“ Um technische Probleme geht es bei der Schweizerin wie auch bei ihren Kollegen nämlich weniger, das Feilen an der Interpretation und das Entwickeln eines eigenen musikalischen Profils stehen im Vordergrund. „Es geht hier um seine spezielle Herangehensweise, er kann alles wirklich total auseinandernehmen“, sagt sie im Hinblick auf den Dozenten Isserlis, der Takt für Takt mit den Teilnehmern an ihrer Interpretation feilt, Beethovens Musik in kleinste Partikel zerlegt und wieder zu einem großen Ganzen zusammensetzt.

Unter den kritischen Ohren des Lehrers versucht sich am ersten Nachmittag des Meisterkurses die Cellistin Vashti Hunter am ersten Satz von Beethovens vierter Cellosonate. Beim ersten Durchgang lauscht Isserlis noch ganz konzentriert, doch schnell bricht sich sein Temperament Bahn. Er feilt wie besessen an den ersten Takten, die besonders heikel sind, liegt hier die Cellostimme doch quasi auf dem Präsentierteller, völlig offen, ungeschützt und solo. „Das muss eigentlich ,Ja' heißen, du spielst aber ,vielleicht'“, sagt Isserlis an einer Stelle, und tatsächlich, nach einigen Durchgängen klingt Hunters ohnehin schon sehr selbstbewusstes Spiel noch eindringlicher, selbstsicherer, konzentrierter.

Der zweite Proband bei dieser für die Öffentlichkeit zugänglichen Probe ist der Cellist Jonas Palm, der sich den ersten Satz von Beethovens fünfter Sonate für Cello und Klavier vornimmt. Auch sein Spiel klingt zunächst eher vorsichtig, gewinnt jedoch zunehmend an Kraft und Kontur. Das mag auch daran liegen, dass Steven Isserlis seine Schüler, zu denen in Bonn auch noch der persische, im österreichischen Bregenz geborene Cellist Kian Soltani gehört, regelrecht mitreißt, denn lange stillsitzen kann der Cellist nie, immer wieder spielt er passagenweise mit, gestikuliert wild mit dem Bogen in der Luft herum und lässt seine graue Haarpracht herumwirbeln.

Isserlis, das wird schnell klar, ist kein musikalischer Buchhalter, er lässt sich von der Musik mitreißen und versucht, dies an seine Schüler weiterzugeben. „Explode“ lautet an einer Stelle seine Anweisung, und das lebt der Brite auch angeregt vor.

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