Napoleon-Ausstellung in Bundeskunsthalle startet phänomenal

BONN · Bénédicte Savoy, Kuratorin der Napoleon-Schau, freut sich über das breite positive Echo. Vor Weihnachten widmete "Le Monde" der Schau eine ganze Seite, erzählt sie. Das Blatt registrierte, "dass in Bonn etwas passiert, was man in Frankreich nicht machen kann".

Die Anspannung hat sich gelegt, der Start war phänomenal: Bénédicte Savoy, Kuratorin der Bonner Napoleon-Ausstellung (bis 25. April in der Bundeskunsthalle), gesteht heute, dass sie anfangs noch skeptisch war.

"Wie kann man ein komplexes historisches Thema fast ohne Worte fassen", fragte sie sich und "ob die Ausstellung etwas erzählt oder nur ein Flohmarkt ist". Doch nicht nur das umwerfende Echo - 16 100 Besucher seit dem Start am 17. Dezember, zumeist hymnische Besprechungen in den Medien - hat ihr gezeigt, dass das Konzept funktioniert.

"Ich sah, wie die tolle Ausstellungsarchitektur von Paolo Martellotti und das Licht das Ganze in eine Bühne verwandelten", sprudelt es aus der Französin heraus. Als drei Tage vor der Eröffnung ein Techniker der Bundeskunsthalle ihr gestand, dass er beim Hängen der Exponate Ähnliches empfand wie damals, als er das erste Mal Fotos der Nazis in Farbe sah, wusste Bénédicte Savoy, dass ihre Rechnung aufgeht.

Buchtipp: Bei Böhlau ist gerade Bénédicte Savoys Buch "Kunstraub, Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen" (529 S., 49 Euro) erschienen.Die historische Distanz müsse verkürzt, Geschichte lebendig, emotional erfahrbar werden: "Die Zeit wird präsent, das kann kein Buch." Eine solche Ausstellung werde zum Erfolg, "wenn ich jeden dort abholen kann, wo er ist", sagt sie.

Das gilt für den Durchschnittsbesucher, der vor dem zerschossenen Brustpanzer von François-Antoine Faveau ohne großen Kommentar die ganze Tragik des Krieges erfährt, wie für den Spezialisten, der entdeckt, dass in die Ausstellung aktuelle Forschungsergebnisse eingeflossen sind.

"Wir haben ein sehr positives, intelligentes Echo bekommen", freut sich die 38-jährige Kunsthistorikerin mit Lehrstuhl an der Berliner TU. Dass das Lob auch aus Frankreich kam, dem die Figur Napoleon nach wie vor peinlich, extrem unangenehm ist, findet Savoy bemerkenswert. Vor Weihnachten widmete "Le Monde" der Schau eine ganze Seite, erzählt sie.

Das Blatt registrierte, "dass in Bonn etwas passiert, was man in Frankreich nicht machen kann", resümiert die Kuratorin und erzählt von aktuellen Debatten. Grund: Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, gemeinsam mit Angela Merkel Schirmherr der Napoleon-Schau in der Bundeskunsthalle, hat ein historisches Museum für Frankreich angeregt, angelehnt an das Deutsche Historische Museum in Berlin und das Haus der Geschichte in Bonn.

"Und alle sind dagegen", sagt sie. Man befürchte, dass Sarkozy sich seine Historie zusammenklittert. Erinnerungen werden wach an die Ängste, Helmut Kohl könne sich mit dem Bonner Haus der Geschichte seinen eigenen Mantel der Geschichte zurechtschneidern. Nichts dergleichen passierte.

Was jetzt in Frankreich brodelt, ist nur das Hors d'oeuvre zum Gastspiel der Bonner Napoleon-Ausstellung im kommenden Jahr im Napoleon-Heiligtum, dem Invalidendom in Paris.

Bei aller Begeisterung für ihre Napoleon-Schau übt Savoy auch leichte Selbstkritik: So fiel die Abteilung über Bonapartes Kunstraub in der Tat etwas mager aus. "Wir haben viele Absagen bekommen, die Zeit war zu kurz, etliche Kunstwerke waren blockiert", sagt sie.

Dennoch seien die Besucher fasziniert: Am Thema Beutekunst könne man "die Aktualität der Vergangenheit" zeigen. Enttäuscht ist die Kuratorin von der Realisierung des Kapitels "Blut und Sex" über die Familienpolitik Napoleons: "Ich wollte eigentlich keine Ahnengalerie."

Savoy plante vielmehr, alles auf den "König von Rom" zu konzentrieren, Bonapartes einzigem Sohn, der jung starb. Sie träumte etwa von der Wiege des kleinen Napoleon aus der Wiener Schatzkammer, ein Stück, das aber prinzipiell nicht ausgeliehen wird.

Bénédicte Savoys Lieblingsensemble in der Schau ist das repräsentative Gemälde eines reichen Bürgers mit seinem Sohn, der im Krieg starb, und die daneben hängende schlichte Totentafel des in Russland gefallenen Bauernsohns Hans Huber.

Was man unbedingt gesehen haben muss: Das wie eine Karikatur wirkende prächtig-verschrobene Reiterbildnis des Napoleon von Heinrich und Ferdinand Olivier, die vier Aquarellstudien, die der Schottische Chirurg Charles Bell von Opfern der Schlacht von Waterloo mitbrachte und die auf sepiafarbenen Daguerrotypien festgehaltenen Veteranen der Grande Armée.

Das sind keine Helden, sondern Menschen. Savoy ist schon wieder auf dem Weg nach Berlin: Vieles ist liegen geblieben, die Studenten warten, Buchprojekte ("Nofretete in Berlin" und "Warum Paris Hauptstadt der deutschen Romantik war") liegen auf Halde. Und da sind auch ihre zwei Kinder. "Ich trenne strikt Familie und Beruf, da bin ich ganz Französin", sagt sie.

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