Richard Wagners "Der Fliegende Holländer" Nachts im Museum

Die Liebe ist in den Opern von Richard Wagner ein seltsames Ding. Die heftige Leidenschaft Tristan und Isoldes füreinander verdankt sich der Einnahme eines Liebestrankes. Kundry - ein anderes Extrem - will am Ende des Bühnenweihfestspieles "Parsifal" nur eines für den Titelhelden tun: dienen.

 Mitleid, Treue, Pflicht und Erlösung: Magdalena Anna Hofmann (Senta) und Mark Morouse (Holländer).

Mitleid, Treue, Pflicht und Erlösung: Magdalena Anna Hofmann (Senta) und Mark Morouse (Holländer).

Foto: Thilo Beu

Schon im "Fliegenden Holländer", Wagners früher romantischer Geisteroper, sind es weniger Liebesgefühle à la Romeo und Julia, die den Titelhelden und Senta zueinander finden lassen, es geht vielmehr um Mitleid, Treue, Pflicht und Erlösung. Wohl deshalb schwebt zu Beginn und beim Erlösungsschluss von Walter Schützes Bonner Inszenierung das Wort "Liebe" in großen erleuchteten Lettern wie eine Mahnung über der Bühne.

Schütze, der bislang als Bühnen- und Kostümbildner sozusagen in der zweiten Reihe arbeitete, ist im Bonner "Holländer" erstmals auch als Regisseur fürs Bühnengeschehen verantwortlich. Dabei widersteht er der Versuchung, aus der Oper eine Ausstattungsorgie zu machen. Bei Schütze wird die romantische Seefahrerwelt nur zitiert, was freilich längst der Normalfall bei den Holländer-Inszenierungen auf den Opernbühnen dieser Welt ist.

Die Schiffe Dalands und des Holländers sieht man nur als Modelle oder auf einer breiten Leinwand, deren transparente Struktur ein paar hübsche Licht- (Bernd Winterscheid) und Bühneneffekte ermöglichen. Zum Beispiel den ersten Auftritt des Holländers hinter der Leinwand so zu platzieren, dass er gespenstgleich wie aus dem Nichts zu kommen scheint.

Zauber trifft auf Gummistiefel

Dieser Zauber steht in Kontrast zu den heutigen Alltagskostümen der Seeleute mit ihren gelben Gummistiefeln, der adrett gekleideten Spinnerinnen oder zum eher nüchternen Bühnenraum, dessen Holzwände und -treppen an ein gediegenes bürgerliches Museum erinnern. Ein Eindruck, den Schütze noch verstärkt, wenn er Schiffsmodelle vom Bühnenhimmel schweben lässt oder, wie zur Illustrierung von Sentas Ballade, das Holländerschiff gar in einer Vitrine präsentiert.

Magdalena Anna Hofmann gestaltet die Ballade mit ihrer flexiblen und kraftvollen Sopranstimme überaus eindringlich. Dass ihr Vater Daland, der nicht zögert, sie für ein paar Schätze an den reichen Fremden zu verkaufen, als einziger Vertreter der realen Welt vom Dresscode her eher dem Holländer und seinen untoten Mannen zuzuordnen ist, lässt wohl den Schluss zu, dass Senta in dem Seemann auch etwas von ihrem wenig liebevollen Vater wiedererkennt. Als sie sich zum ersten Mal gegenüberstehen, fährt beiden der Schreck durch die Glieder.

Manches in dieser Inszenierung wirkt unbeholfen, wie zum Beispiel die trotz ihrer abgerissenen Klamotten nur wenig gruselig herüberkommenden Untoten oder wenn die Spinnerinnen wie Spinnen ihre Fäden ziehen, und Senta als Opfer einfangen. Und was soll der kleine Junge mit Sonnenbrille, der plötzlich neben Senta und dem Holländer ins Bild kommt? Solch schräge Ideen werden wettgemacht durch eine gut inszenierte Szene, in der Sentas Verehrer Erik seine Verzweiflung über ihre Untreue heraussingt, was der Tenor Paul McNamara richtig gut macht, während sie im Hintergrund mit dem Holländer tanzt.

Auch dass sie gerührt von seinen Emotionen ist, zeigt die Inszenierung sehr schön. In der Titelrolle ist Mark Morouse zu erleben, dessen schauspiellerisches Talent nicht weniger überzeugt als seine schön timbrierte Baritonstimme. Priit Volmers elegant geführter Bass ist ebenfalls ein Plus dieser Produktion. Als Sentas Vertraute Mary ist Anjara I. Bartz zu erleben, die der Figur einen temperamentvoll-komödiantischen Anstrich verleiht. Den Steuermann singt Christian Georg mit einer Tenorstimme, die den Schwebezustand zwischen Wachen und Träumen, in den er ersten Akt verfällt, wunderbar zum Ausdruck bringt.

Wechselgesang zwischen Lebenden und Toten

Die anspruchsvolle Rolle, die im Holländer auf sie zukommt, erfüllen die von Volkmar Olbrich geleiteten Chor und Extrachor der Oper auf fabelhafte Weise. Vor allem wenn die Lebenden und die Untoten ihren unheimlichen Wechselgesang anstimmen, kann einem schon das Blut in den Adern gefrieren.

Als Herr über das Klanggeschehen macht der Opernchefdirigent im Orchestergraben, Hendrik Vestmann, eine gute Figur. Unter seiner Leitung arbeitet das souverän aufspielende Beethoven Orchester die Spannung zwischen biedermeierlicher Gemütlichkeit und orchestral grell herausgestellter Schauerromantik trefflich heraus. Für die musikalische Seite gab es großen Beifall, für die Regie neben viel Beifall auch zahlreiche Buhs.

Termine: 3., 17., 25., 29. Oktober, 8., 19. November, 25. Dezember, weitere Aufführungen 2016. Die Vorstellung ist ohne Pause und dauert rund 2 1/4 Stunden. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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