Letzte Werke zum Finale Michael Boder dirigiert Abschlusskonzert des Beethovenfests

Bonn · Das ORF Radio-Symphonieorchester aus Wien überzeugt mit Anton Bruckners unvollendet gebliebener neunter Sinfonie auf dem Abschlusskonzert des Beethovenfestes.

 Michael Boder dirigiert das ORF Radio-Symphonieorchester Wien im WCCB.

Michael Boder dirigiert das ORF Radio-Symphonieorchester Wien im WCCB.

Foto: Barbara Frommann

Der Aufwand, den der 1987 verstorbene amerikanische Komponist Morton Feldman in seinem letzten Orchesterwerk betrieb, ist immens. Für „Coptic Light“ fordert er den vollen, großsinfonischen Streicherapparat, vierfach besetztes Holz; Hörner, Trompeten und Posaunen treten ebenfalls jeweils zu Viert in Erscheinung, dazu Schlagwerk, zwei Harfen und zwei Klaviere, die noch besondere Farben ins Spiel bringen. Man kann sich denken, dass allein der Anblick des ORF Radio-Symphonieorchester aus Wien, das zum Abschlusskonzert des Beethovenfests im sehr gut besuchten WCCB gastierte, überaus beeindruckend war.

Das klangliche Ergebnis indes unterläuft die Erwartung an diesen monumentalen Klangkörper radikal. Zwar sind beinahe sämtliche Instrumente in diesem 25-minütigen Werk permanent im Einsatz, doch verlassen sie die dynamische Sphäre des zu Beginn vorgegebenen dreifachen Pianos nicht mehr. Das Stück plätschert leise und mit der Gleichmäßigkeit entspannter Atemzüge vor sich hin, einzelne Harmonien sind kaum zu identifizieren, wenn schon die Kontrabässe zehn unterschiedliche Töne gleichzeitig spielen.

Die riesige Partitur wird in ihrer klanglichen Realisierung zu einem einzigen gestaltlosen Schimmern und Irisieren. Dass Morton Feldman sich da von der Farb- und Formgebung frühen koptischen Textilien hat inspirieren lassen, lässt sich ohne weiteres nachvollziehen. Das Orchester spielte das Werk unter der sicheren Leitung von Michael Boder hochkonzentriert. Für einen feierlichen Festivalabschluss ist das ungewöhnliche Klangexperiment aber sicher eine zumindest problematische Wahl.

Klimax wurde zum Ereignis

Mit dem anderen „letzten Werk“ des Abends sieht das ein bisschen anders aus: In Anton Bruckners unvollendet gebliebener neunter Sinfonie erlebte man das ORF Radio-Symphonieorchester in einem großartig gespielten, ebenso packenden wie bewegenden Drama. Denn anders als bei Feldman entwickelt sich aus dem ebenfalls sehr leisen Beginn eine musikalische Welt, in der auch Konflikte und klangliche Exzesse Einzug halten.

Im ersten Satz gelang es Boder und den Musikern, die Entwicklung der Themen schlüssig nachzuvollziehen. Schon die erste große Klimax wurde zum Ereignis. Die Wucht, mit der die Blechbläser im Scherzo den Saal erfüllten, war bemerkenswert (wenn man bei den massiven Blechbläsereinsätzen einmal von dem fast echohaften Nachhall im Saal absieht). Zum emotionalen Höhepunkt aber wurde das himmlische Adagio, dessen weite Bögen Michael Boder mit großer Intensität spannte.

Die formale und harmonische Kühnheit des Satzes arbeitete er mit den bestens aufgelegten Musikern ebenfalls sehr eindrucksvoll heraus, auch dort, wo die Musik beinahe einzufrieren droht. Das ORF Radio-Symphonieorchester und Dirigent Michael Boder beglückten ihre Hörer im Saal mit einer exzellenten Leistung, für die es Standing Ovations gab.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Daniel Johannes Mayr dirigiert das Beethoven
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCampNeue Musik zwischen Wohnwagen
Zum Thema
Aus dem Ressort