LVR Landesmuseum Meret Becker und das Dirk Raulfs Orchestra zu Gast

BONN · Bei seinem ersten Besuch des kleinen, beschaulichen Dörfchens Marienthal bei Wesel sei ihm zuerst die 1345 erbaute, malerisch an der Issel gelegene Klosterkirche ins Auge gefallen, erinnert sich der Kölner Musiker Dirk Raulfs in einem Beitrag für die Marienthaler Festspiele.

 Säuselnde Poesie: Meret Becker und das Dirk Raulfs Orchestra.

Säuselnde Poesie: Meret Becker und das Dirk Raulfs Orchestra.

Foto: Müller

So ein Hingucker wie diese Klosterkirche mit ihren modernen Sakralkunstwerken ist natürlich eine wunderbare Inspirationsquelle, wenn man der Einladung der Festspiele Folge leisten und ein Stück Musik über den Ort komponieren will.

Die ersten Eingebungen wuchsen sich schließlich zu dem einstündigen Stück "60 Minuten flussabwärts" aus, das im August vergangenen Jahres vom Dirk Raulf Orchestra und der Schauspielerin, Musikerin und Sängerin Meret Becker bei den Festspielen uraufgeführt wurde und nun im fast ausverkauften Saal des LVR Landesmuseums in Bonn eine gefeierte Wiederaufführung erlebte.

Raulf hat seiner Komposition, die sich den drei Flüssen Issel, Lippe und Rhein widmet, in ein strenges formales Korsett geschnürt. Das musikalische Material, das er sich bei Franz Schubert, Tom Waits, Björk, Brian Eno, Randy Newman oder Nick Cave entlieh, verteilt er im Minutentakt auf exakt 3600 Sekunden. Allerdings sind die Lieder nicht wie Perlen auf eine Schnur gereiht, sondern kommen "wie Treibgut" (Raulfs) immer wieder an die Oberfläche.

Und so ist Meret Becker auch nicht Star und Diva des Abends, sondern Teil des Ensembles, das Wasser- und Rheinlieder säuselt wie Nick Caves "Little Watersong" oder Randy Newmans "In Germany Before the War", aber auch Melodika spielt oder mit der singenden Säge die düstere Stimmung von Tom Waits' "Black Rider" evoziert.

Kern des Orchesters bildet Raulfs Basssaxophon-Quartett Deep Schrott mit Wollie Kaiser, Andreas Kaling und Jan Klare, die auch viele andere (Blas-)Instrumente spielen. Dirk-Peter Kölsch am Schlagzeug, Thorsten Drücker an der Gitarre und der Elektroniktüftler Frank Schulte ergänzen das Orchester zu einem Klangkörper, der ausgesprochen fein wie zu Beginn, aber auch extrem martialisch und laut zu Werke gehen kann.

Die Musik wirkt sehr direkt, sehr unmittelbar, manchmal berührend, nur eines nicht: konstruiert. Diese Flussfahrt eine wunderbare Reise. Und bietet sogar etwas fürs Auge: einen mit starrer Kamera aufgenommen Triptychon-Blick auf Issel, Lippe und Rhein.

Zuvor boten die Saxophonisten von Deep Schrott mit ihren imposanten Instrumenten eine Dreiviertelstunde geballte Basswucht - darunter drei Titel von Black Sabbath und - besonders hübsch - den Nirwana-Klassiker "Smells Like Teen Spirit".

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