"The Steps with no Name" Matthias Wollgast stellt im Bonner Kunstmuseum aus

Bonn · Der Bonner Kunstpreisträger zeigt in einer spannenden Ausstellung seine raffinierten Welten aus Fakten und Illusionen.

Ein Standbild aus dem fiktiven Film „The Steps with no Name“, 2017.

Ein Standbild aus dem fiktiven Film „The Steps with no Name“, 2017.

Foto: WOLLGAST, VG BILD-KUNST, BONN 2018

Ohne Inszenierung, mehrstufige Bedeutungsebenen und komplexe Interpretationsschleifen geht in der zeitgenössischen Kunst heutzutage kaum noch etwas. Soweit also nichts Neues. Aber es gibt Künstler und dazu zählt der 1981 in Bonn geborene Matthias Wollgast, die haben sich im Spiegelkabinett einer allumfassenden Kontextualität und Referenzialität – so nennt es Kunstmuseumsintendant Stephan Berg treffend – derart detailversessen eingerichtet, dass dem Betrachter schwindlig werden könnte.

So gleicht die aktuelle Ausstellung „The Steps with no Name“, die für Matthias Wollgast anlässlich des Bonner Kunstpreises, der ihm 2017 verliehen wurde, jetzt ausgerichtet wird, zunächst einem Vexierspiel mit ständig wechselnder Bedeutung. Wollgast zeigt im Kunstmuseum Objekte aus früheren Projekten und eigens für Bonn geschaffene Arbeiten.

Zurechtfinden kann man sich nach anfänglicher Verwirrung dann doch erstaunlich leicht, wenn man ein paar Regeln mit auf den Weg nimmt: Schauen Sie genau hin, trauen Sie nicht dem, was Sie sehen und stellen Sie Fragen. Wichtig wäre noch zu wissen, dass die Publikation im Werk von Wollgast eine zentrale Rolle spielt. Sie ist zugleich Dokumentation und Teil des Werkes, das selbst Hinweise auf seine Entschlüsselung liefert.

So beginnt der Rundgang in einem kleinen Raum, der mit rotem Teppich, Designermöbeln und niedriger Decke an einen Museumsshop erinnert. Es gibt Kataloge zum Stöbern, Postkartenserien in Regalen und gerahmte Kunstwerke an der Wand. Hier kann man sich einstimmen auf einen Künstler, der seinen Bildfindungen komplexe und frei erfundene Kontexte mitliefert und diese als Dokumentationen tarnt. Wir vertrauen diesen Inhalten, weil sie Formen und Strukturen angenommen haben, die unverdächtig erscheinen.

Wer war Jan Usinger?

So gibt es zunächst keinen Grund daran zu zweifeln, dass es einen Künstler namens Jan Usinger (1916-1984) gegeben hat und dass dessen bislang unbekanntes Œuvre 2012 auf dem Dachboden des kunsthistorischen Institutes der Uni Bonn gefunden wurde. Die Existenz von Jan Usinger wird (vermeintlich) durch Werke von ihm untermauert, durch Fotos, Texte und Briefe, oder durch ein Radiointerview mit seinem besten und noch lebenden Freund Klaus Maier. 2013 erfand Matthias Wollgast gar eine komplette Künstlergruppe im historischen Kontext der russischen Kunst der 1970er Jahre, mit Werken, Skizzen, Fotografien und kunsthistorischem Text.

In der Bonner Ausstellung tritt man nun aus dem Shop heraus und wechselt in ein Archiv. Davon zeugt ein großes Regal, das unter anderem gefüllt ist mit Archivschachteln, die Beschriftungen tragen wie „Aussichtslose Sachen“, „Kunstkommentare“ oder „Schlecht besuchte Sonderausstellungen“. Interessanterweise ist selbst mit dem Wissen, dass dem Erzähler in Wollgasts Werken nicht zu trauen ist, die Verlockung groß, sich gegen das Offensichtliche nicht weiter zu sträuben.

Letzter Ort dieser Abfolge von Verführungen ist eine bühnenartige Kiste mit rätselhaftem Inventar. Sie gehört zum jüngsten Projekt von Wollgast, dem Making-Of des nicht existierenden Films „The Steps with no Name“. Der Film handelt vom Polarforscher Ray Mondt, der durch eine Lichtallergie gezwungen wird, von seiner Forschungsstation am Nordpol in die Dunkelheit einer Kellerwohnung in London umzuziehen. Die ersten Fotoserien hat Wollgast mit dem Schauspieler Stefan Lampadius alias Ray Mondt alias Klaus Meier bereits in London realisiert. Es werden, auch im Verlauf der Ausstellung in Bonn, weitere Fotos vom Set entstehen, es wird Ausschnitte aus dem Drehbuch, gezeichnete Storyboards, Plakate und Filmkritiken geben. Zum Schluss erscheint eine Publikation, die von der Entstehungsgeschichte des Films erzählt und es ist nicht auszuschließen, dass unsere Erinnerung uns im Stich lassen wird bei der Frage, ob wir diesen Film tatsächlich gesehen haben. Das Rex-Kino wäre dafür der passende Ort.

Kunstmuseum Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 2, bis 24. Juni, Di-So 11-18, Mi 11-21 Uhr, Katalog. Am 22. April führt Kuratorin Barbara Scheuermann um 11 Uhr durch die Ausstellung.

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