Lieg ich seit jeher im staubigen Tor der Dürre

Zum Tode der Bonner Schriftstellerin Helma Verbeek-Cardauns

Bonn. Helma Cardauns ist tot. Gestorben im Alter von 90 Jahren in den ersten Stunden des Frühlings, schnell, fast unbemerkt, entspannt, neugierig. Eine Nachricht, die man nicht glauben mag, so lebendig ist Helma Verbeek-Cardauns in aller Erinnerung. Präsent durch ihre dichterische Schaffenskraft bis ins hohe Alter, ihr Durchsetzungs- und Durchhaltevermögen.

Psalm 18,30, der die Todesanzeige ihrer Familie überschreibt - "Mit meinem Gott überspringe ich Mauern" -, ist auch ihr Lebensmotto gewesen. Helma Cardauns stammt aus einem großbürgerlichen Kölner Elternhaus. Sie heiratete 1937 den späteren Landeskonservator des Rheinlandes Prof. Albert Verbeek. Obwohl die Sorge um die Familie und die Erziehung der fünf Söhne im Nachkriegsdeutschland ihre ganze Fürsorge forderten, begann sie bereits sehr früh zu schreiben.

Von 1947 bis 1986 erschienen zahlreiche Gedichte, Erzählungen, Theaterstücke und Romane. Bis sie dann mit einer Köln-Bonner Familiengeschichte in drei Teilen: "Eine Kölner Kindheit" (1991), "Luftwurzeln" (1993) und "Espenlaub und Lorbeerblatt" (1995) ein großes Publikum erreichte. In ihren letzten Lebensjahren beendete sie das Manuskript zu "Wer hat die größere Schuld", konzentrierte sich aber auch auf eine biegsam-durchsichtige Lyrik voller Farbe, Musik und Bewegung.

"Manchmal finde ich mich als Muschel wieder" erinnerte sie sich 1998. Als Helma Verbeek-Cardauns 1984 verwitwete, blieb sie zunächst in ihrer Zauberwohnung am Ippendorfer Mühlenberg wohnen, verbunden mit vertrauten Bildern, Geräuschen, Gerüchen. Später in den Neunzigern probierte sie kurz ein Leben im Altersheim aus. Das warf sie fast aus der Bahn.

Im festen Glauben, Mauern überspringen zu können, hatte sie in einer neuen Beziehung zu dem viele Jahre jüngeren Geographen Eberhard Mayer einen sensiblen Lebensgefährten für die letzte Phase ihres erfüllten Lebens gefunden.

Sie hatten noch Pläne für Rom und einen Sommer in Portugal. Helma Verbeek-Cardauns hat all ihre Sehnsüchte mitgenommen, sie uns aber auch als Vermächtnis hinterlassen. "Mein Leib eine Muschel im Meer. Im Blut den gelöschten Durst einer Herde, im Herzen die Seligkeiten der Pflanzen, lieg ich seit jeher im staubigen Tor der Dürre, ein Erdschorf in der Entwöhnung, ein Staubkorn und weniger noch, willenlos ausgeliefert dem Wind. Dann meine Freude ein Feuer, das meinen nächsten Nachbarn, den Tod, verzehrt wie ein Vogelschnabel ein Klümpchen Fleisch."

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