Premiere in der Bonner Oper Kunst von Martha Graham verzaubert bis heute

Bonn · Die Martha Graham Dance Company gastiert mit drei historischen Stücken und einem neuen Werk des Choreografie-Star Sidi Larbi Cherkaou in Bonn.

 Beeindruckend: Szene aus der „Dark Meadow Suite“.

Beeindruckend: Szene aus der „Dark Meadow Suite“.

Foto: Brigid Pierce

Die einzige Sünde sei Mittelmäßigkeit, sagte die amerikanische Tanzlegende Martha Graham einmal. Als die Tänzerin und Choreografin 1991 mit 97 Jahren starb, hatte sie sich selbst in dieser Hinsicht nichts zu Schulden kommen lassen. Dass ihre Kunst bis heute ihren Zauber und ihre Wirkungskraft behalten hat, zeigte die Martha Graham Dance Company aus Manhattan am Freitagabend bei den „Highlights des internationalen Tanzes“ in der ausverkauften Bonner Oper.

Seit 2006 ist die frühere Graham-Tänzerin Janet Eilber künstlerische Leiterin der immer noch großartigen Company, die auch vor Beginn der Aufführung eine kurze Einführung in englischer Sprache zu den Stücken gab. Sie hat die schwierige Aufgabe übernommen, die große Tradition ihrer Mentorin zu pflegen und zugleich Neues einzubringen, wie auch an diesem Abend zu erleben war, als vor der Pause das im vergangenen Jahr uraufgeführte Tanzstück „Mosaic“ gezeigt wurde. Der belgisch-marokkanische Choreografie-Star Sidi Larbi Cherkaoui hat es für neun Tänzer der Company geschrieben. Ein vielstimmiges Werk zu orientalischen Klängen, die Felix Buxton unter anderem aus libanesischen, sephardischen und syrischen Vorlagen komponiert hat. Man sieht ein wunderbares Spiel aus Licht, Kostümen und Bewegungen der extrem durchtrainierten Körper, die auseinanderstreben und doch immer wieder zu einem Tableau zusammenfinden.

Von Martha Graham selbst waren insgesamt drei Arbeiten zu bewundern, angefangen mit der „Dark Meadow Suite“ aus dem Jahr 1946, deren Bewegungsrepertoire ebenso wie die in Braun- und Rottönen gehaltenen Kostüme den von indianisch-mexikanischen Kulten inspirierten Hintergrund verraten. Die hüpfenden Sprungbewegungen der Tänzerinnen mögen heute vielleicht etwas aus der Zeit gefallen wirken, aber das Zusammenspiel von Solo und Gruppe, von Frauen und Männern wirkt dennoch in der mit virtuoser Technik aufgeführten Choreografie sehr beeindruckend.

Bei dem sechsminütigen Solo „Ekstasis“ handelt es sich um eine Rekonstruktion. Es gebe keine Filmaufnahmen des 1933 uraufgeführten Stücks, sagte Eilber. Um so beeindruckender die Ausführung durch die Graham-Tänzerin in ihrem engen, extrem elastischen bodenlangen Kleid, das wie eine Schlangenhaut ist, in dem sich der Körper windet und beugt, in kreisenden Bewegungen zu fliehen scheint.

Mit einem Solo beginnt auch das halbstündige Frauen-Triptychon „Chronicles“ zu Musik von Wallingford Riegger. Dieser Beginn ist ein Spiel mit dem Kostüm, ein von außen schwarzes und innen rotes weites Kleid, das die Tänzerin mal wie eine trauernde Witwe, mal wie eine Statue oder auch wie ein animalisches Wesen erscheinen lässt. Beeindruckend auch der langsame Auftritt einer Gruppe schwarz gekleideter Tänzerinnen, die einen Arm diagonal zur Hüfte geführt, den anderen abgeknickt ans Kinn weisend langsam und statuarisch die Bühne durchqueren. Immer mehr beschleunigt sich dann die Choreografie, Sprünge und Gesten wirken wie unbekannte altertümliche Schriftzeichen. Später kommt eine in Weiß gekleidete Solistin hinzu, eine Hohepriesterin des Tanzes. „Chronicles“ ist übrigens Martha Grahams künstlerische Reaktion auf die Einladung zu den Olympischen Spielen 1936 nach Nazi-Deutschland, der sie sich standhaft verweigert hatte.

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