Beethoven-Competition-Finale Koreanerin gewinnt als erste Frau den Klavierwettbewerb

BONN · so emotional aufgeladen war ein Finale der Telekom Beethoven Competition seit der Premiere vor neun Jahren nicht. Das hatte zwei Gründe: Erstens gab es eine aus Publikumssicht überraschende Jury-Entscheidung, zweitens hielt Timotheus Höttges, Telekom-Finanzchef und demnächst René Obermanns Nachfolger an der Konzernspitze, eine Ruckrede zum Thema Beethovenjahr 2020, mit der er Bonns Politiker wachrütteln wollte.

Mit der koreanischen Pianistin Soo-Jung Ann hat zum ersten Mal in der Geschichte des Wettbewerbs eine Frau den mit 30.000 Euro dotierten ersten Preis gewonnen. Die Entscheidung der Jury am Samstagabend war zumindest im Publikum nicht unumstritten, stieß bei vielen Besuchern in der ausverkauften Beethovenhalle auf völliges Unverständnis. Sogar Buh-Rufe waren zu hören.

Denn bei der Saalabstimmung war die mit 26 Jahren jüngste Finalteilnehmerin mit nur 22,2 Prozent der Stimmen weit abgeschlagen auf den dritten Platz gelandet. Die Zuschauer hatten in Mehrheit für den 31-jährigen Japaner Shinnosuko Inugai, den 41,9 Prozent der Stimmen den mit 3000 Euro dotierten und vom General-Anzeiger präsentierten Publikumspreis sicherten. Bei der Jury reichte sein Vortrag hingegen nur für Platz drei aus.

Lediglich beim zweitplatzierten Australier Stefan Cassomenos herrschte Einigkeit bei Publikum und Jury. Er erhielt 35,9 Prozent der Saalstimmen. Die Jury-Entscheidungen seien in geheimer Wahl entstanden, erläuterte Jury-Präsident Pavel Gililov, der Ann in Salzburg unterrichtet, am Rande des Wettbewerbs. "Wir stimmen zuerst über den Sieger ab, dann über den zweiten Platz." In die Bewertung würde nicht allein das Finale einfließen, sondern der Verlauf des gesamten Wettbewerbs berücksichtigt.

Die Jury-Siegerin Soo-Jung Ann war mit dem vierten Klavierkonzert Ludwig van Beethovens als erste an den Start gegangen. Es sei ihr Lieblingskonzert, wusste die gut informierte Moderatorin An-drea Thilo über die Paarung zu berichten. Unter den fünf Klavierkonzerten Beethovens ist das vierte das lyrischste: Verträumt, beinahe schwerelos hoben die G-Dur-Akkorde des Beginns an. Nach der folgenden Orchesterexposition baute die Solistin die Spannung klug auf, wobei die hohen technischen Anforderungen des Klaviersatzes für sie überhaupt kein Problem darstellten.

Manches geht ihr vielleicht sogar ein bisschen zu leicht von der Hand, wie man in der etwas zu glatt wirkenden Solokadenz hören konnte. Sehr einfühlsam stimmte sie den langsamen Satz an. Das Orchester steht der Solistin hier gegenüber wie die bösen Mächte der Unterwelt dem mythologischen Sänger Orpheus, dessen Schicksal Beethoven zu diesem Satz inspiriert haben soll.

Allerdings machten Dirigent Olari Elts und das Beethoven Orchester, das auch in diesem Jahr wieder das Finale begleitete, es der Solistin nicht ganz leicht. Olari Elts gelang es nicht, das richtige Timing zwischen Solistin und Orchester zu finden. Im leise verklingenden Schluss schuf sie sozusagen einen Klangraum, den sie dann mit akzentuierter, federnder Rhythmik im Finalsatz füllte.

Der sehr virtuose Australier Stefan Cassomenos trat mit Beethovens fünftem Klavierkonzert auf und begriff den einleitenden Orchesterakkord gleichsam als Startschuss für die rasant gespielte Solokadenz. Sie hätte allerdings ein bisschen konturierter ausfallen dürfen.

Insgesamt jedoch überzeugte er nicht nur wegen seines hohen technischen Niveaus, sondern auch weil er immer sehr genau aufs Orchester hörte, den Dialog suchte, was ihn auch schon als Kammermusiker im Halbfinale ausgezeichnet hatte. Für diese Leistung hatte ihm die Jury einen der Sonderpreise zuerkannt.

Als letzter Teilnehmer spielte Shinnosuke Inugai, der dem Steinway den kraftvollsten Ton entlockte. In der ungewöhnlich langen Solokadenz des ersten Satzes ließ er durch sein fantasievolles Spiel ein bisschen erahnen, wie Beethoven selbst solche Stellen improvisiert haben muss. Dass er im sehr temperamentvoll genommenen Finalsatz einmal mit dem Einsatz ein bisschen früh dran war, überspielte Inugai mit bewundernswerter Reaktionsschnelligkeit. Nach diesem Finalsatz jubelte das Publikum ihm spontan zu.

Info: Im Rahmen der langen BeethovenNacht des Beethoven Orchesters am heutigen Montag, 19 Uhr, in der Beethovenhalle ist die erste Preisträgerin Soo-Jung Ann noch einmal mit einem Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven zu hören. Es gibt noch Restkarten an der Abendkasse.

Die Preise

  • 1. Preis, 30.000 Euro: Soo-Jung Ann
  • 2. Preis, 20.000 Euro: Stefan Cassomenos
  • 3. Preis, 10.000 Euro: Shinnosuke Inugai

Sonderpreise:

  • Publikumspreis (präsentiert vom General-Anzeiger), 3000 Euro: Shinnosuke Inugai
  • Sonderpreis Kammermusik: Stefan Cassomenos
  • Beethoven-Haus-Preis, 1000 Euro: Thomas Wypior
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