Halle Beuel Klaus Weises Bonner Uraufführung von Sibylle Bergs "Die Damen warten"

BONN · Sie kämpfen alle: gegen Hammerzehen, "Cellulitis im Endstadium", Krampfadern, vor allem aber gegen die biologische Gemeinheit des Klimakteriums: Frau Töss (aufgespritzte Blondine), Frau Merz-Dulsch-mann ("Hausfrau und Mutter!!!"), Frau Luhmann (sehr alleinerziehend) und Frau Grau (nomen est omen).

 Die Damen warten: Szene mit (v.l.) Tatjana Pasztor, Susanne Bredehöft, Elisabeth Auer, Cornelia Kempers und Falilou Seck.

Die Damen warten: Szene mit (v.l.) Tatjana Pasztor, Susanne Bredehöft, Elisabeth Auer, Cornelia Kempers und Falilou Seck.

Foto: Thilo Beu

Doch sieh an, zum Frauentag spendiert ihnen ein anonymer Wohltäter einen Friseur-, Kosmetik- und Massagetag im Wellnesstempel. Nette Geste? Eher nicht, denn Frau Grau meint sarkastisch zu "ihrem" Feiertag: "Voller Ehrfurcht gefriert vielen Männern die Faust, die sie gerade in ihrer Gattin platzieren wollten, in der Luft; der eine oder andere, der eben noch schnell seine Tochter lieben wollte, hält inne und denkt: Auch sie wird einmal eine Frau werden, eine Verliererin."

So fühlen sich die Heldinnen in Sibylle Bergs neuem Stück "Die Damen warten": verraten von untreuen Kerlen oder gezwungen, sich an Liebhabern mit Wampe und Haarausfall abzurackern. Man spürt bei der Uraufführung in der Halle Beuel rasch: In ihrer dritten Auftragsarbeit fürs Schauspiel Bonn ist der Autorin (50) das ironische Tänzeln vergangen. Die Damen spucken Gift und Galle, anfangs am liebsten ins faltige oder Botox-geblähte Gesicht der Nachbarin.

Und die Männer? Sie vertritt ein sanfter Mephisto, der noch bei Mutti wohnt und seinen Kundinnen Schokowickel oder giftgrüne Kräutermasken verpasst. Doch seine asexuelle Harmlosigkeit trügt, denn bald geht er zum Angriff über: "Tausende Jahre Entwicklung, die Männern zu verdanken ist, gegen 50 Jahre, in denen es Frauen gefiel, ein wenig außerhalb ihrer häuslichen Gemütlichkeit tätig zu werden. Und schon wollen sie in die Vorstände, die Regierungen..."

Das Geschlechterscharmützel ist eröffnet, wobei Berg oft dem Feind die spitzeren Pfeile in den Köcher packt als ihren alternden Amazonen. Und mag das garstige Duell durchaus vor bösem Witz funkeln, so taugt es kaum zum abendfüllenden Drama. Die Figuren bleiben beliebige Litfaßsäulen für Thesenpapiere, eine Handlung findet nicht statt.

Kein leichter Job für Bonns Generalintendanten Klaus Weise, der mit Bergs Werken bestens vertraut ist. Auf Martin Kukulies' Bühne (ein futuristischer Un-Ort zwischen Spa-Oase, Nobelboutique und aseptischem Labor) packt er die Damen beherzt unter Trockenhauben oder auf Rüttelplatten, gruppiert sie zu Chören oder betont ihre Eigenarten.

Dem Ensemble ist wenig vorzuwerfen: Mag Falilou Seck als Buhmann auch den dankbarsten Part haben - Tatjana Pasztor lässt Ehemüdigkeit ebenso ahnen wie Susanne Bredehöft Geliebten-Stress, und Elisabeth Lauer (die Verhärmte) sowie Cornelia Kempers als fidele Sex-Allergikerin mühen sich um Charakterzüge für grobe Typen.

Letztlich jedoch wirkt Weises Regie wie eine verzweifelte Schönheitsoperation: Seine gefälligen Einfalls-Implantate helfen wenig, wo Gesellschaftschirurgin Sibylle Berg den Trümmerbruch zwischen Mann und Frau diagnostiziert. Solcher Jelinek-Bitterkeit aber ist mit szenischer Contenance in Edel-Boulevard-Ästhetik nicht beizukommen. Hier hätte es grober, roher, schmerzhafter zugehen müssen, wie eine brillante Wut-Orgie kurz vor Schluss allzu kurz zeigt.

Am Ende siegt feministischer Furor - scheinbar: Die Frauen meucheln den wehrlosen Mann, der aber per Betäubungsgas noch ihre Deportation veranlasst hat. Unter freiem Himmel sollen sich nur noch knackfrische Körper tummeln, die Klimakteriumsopfer schmoren in einer unterirdischen Wohlfühlhölle. Endstation Wellness. Das eher konsternierte als animierte Premierenpublikum spendete mäßigen Beifall.

Nächste Termine: 19., 21., 29.12.; 4., 13.1.; Halle Beuel. Karten in den Bonnticket-Shops in den Zweigstellen des General-Anzeigers oder bei bonnticket.de.

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