Japanische Compagnie "Sankai Juku" tanzt in Bonner Oper

Zum Beifall verbeugen die Tänzer der japanischen Compagnie "Sankai Juku" sich nicht, sondern knien nieder, während Ushia Amagatsu mit den Armen einen großen Kreis beschreibt, als wolle er noch einmal das ganze unbegreifliche Universum umfassen.

Japanische Compagnie "Sankai Juku" tanzt in Bonner Oper
Foto: Oper Bonn

Bonn. Zum Beifall verbeugen die Tänzer der japanischen Compagnie "Sankai Juku" sich nicht, sondern knien nieder, während Ushia Amagatsu mit den Armen einen großen Kreis beschreibt, als wolle er noch einmal das ganze unbegreifliche Universum umfassen.

Der Choreograph und Tänzer gilt als Philosoph der japanischen Tanzszene. Sein 2008 in Paris uraufgeführtes und seitdem weltweit gefeiertes Stück "Tobari", das am Mittwoch im Bonner Opernhaus seine Deutschlandpremiere feierte, handelt tatsächlich vom Kosmos des Lebens.

Von Hell und Dunkel, Geburt und Tod, dem grenzenlosen Nichts, aus dem die Bewegungen entstehen und in das sie am Ende wieder eintauchen. Amagatsu hat die freie Formensprache des Butoh-Tanztheaters weiterentwickelt und verknüpft sie mit der klassischen Strenge traditioneller japanischer Tanztechniken und modernem Ausdruckstanz.

Die Bewegungen der komplett weiß geschminkten Körper, teilweise bekleidet mit orangefarbenen Tüchern, teilweise mit langen hellen Gewändern, sind fast meditativ langsam. Die neun Tänzer agieren aus einer inneren Spannung heraus, die bis in die Fuß- und Fingerspitzen reicht.

Kraftzentrum der aufs äußerste gespannten Ruhe ist Amagatsu selbst, der in einzelnen Soloszenen auch Emotionen aufscheinen lässt, mit den Händen Gedanken artikuliert und mit geschlossenen Augen den Mund zu einem stummen Schrei öffnet. Es geht jedoch nie um individuelle Gefühle, sondern um die Aufhebung des Persönlichen im Existenziellen.

Seinem ausschließlich männlichen Ensemble verlangt der Choreograph, der sich dem Dialog mit der Schwerkraft verschrieben hat, dabei fast Unmögliches ab. In einem ungemein suggestiven Bild scheinen vier Tänzer mit leicht angehobenem Ober- und Unterkörper auf dem Boden liegend diesen wirklich zu verlassen und einen Augenblick lang zu schweben im Nachtblau.

Jenes wird von einer riesigen runden Spiegelfläche auf dem Bühnenboden reflektiert, auf der über tausend kleine Lichter den Winterhimmel über Tokio nachbilden. Den strahlenden Sternenhimmel zur Mittsommernachtswende zeigt im Hintergrund ein die gesamte Bühnenbreite füllender Vorhang, den die Tänzer selbst hergestellt haben.

"Tobari" bezeichnet im Japanischen einen Schleier, der den Raum in zwei Hälften teilt: den Schatten vom Licht, den Tag von der Nacht, die körperliche Aktivität vom spirituellen Sinnsubstrat. Die Tonspur aus fernöstlichen Klängen und elektronisch verfremdeter Minimal Music lässt Momente der absoluten Stille zu, in denen Raum und Zeit zu einer Einheit verschmelzen.

Das Publikum im sehr gut gefüllten Opernhaus (bei einer zweiten Vorstellung am Donnerstag spendeten die Künstler ihre gesamte Gage für die Erdbebenopfer in ihrer Heimat) reagierte tief beeindruckt. Am Samstag folgt als deutsche Erstaufführung ein Tanz-Highlight aus China. Das 2008 gegründete "Beijing Contemporary Dance Theatre" untersucht in "Haze" den trügerischen Nebel. Restkarten an der Abendkasse.

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