Fotoausstellung "Schalom" in der U-Bahn-Galerie Intime Momente

Rafael Herlich ist so etwas wie ein Fotopädagoge. Eine seiner stärksten Aufnahmen zeigt drei Spieler der Fußballmannschaft Maccabi Frankfurt. Sie spielen als Mannschaftskameraden im gleichen Trikot für denselben Verein. Soweit, so unspektakulär.

 Zur Feier des jüdischen Neujahrsfests Rosch Haschana in einem Frankfurter Kindergarten bläst der Rabbiner den Schofar (Widderhorn). Fotografiert wurde die Szene von Rafael Herlich.

Zur Feier des jüdischen Neujahrsfests Rosch Haschana in einem Frankfurter Kindergarten bläst der Rabbiner den Schofar (Widderhorn). Fotografiert wurde die Szene von Rafael Herlich.

Foto: Museum

Wenn Herlich dieses Foto bei seinen Schulbesuchen Kindern und Jugendlichen zeigt, bekomme er immer die Reaktion "Na und?". Dann erwähnt der 1954 in Tel Aviv geborene und seit 1975 in Frankfurt am Main lebende freie Fotograf, dass es sich bei den drei Männern um einen Christen, einen Juden und einen Muslim handele. Und sofort ändere sich die Betrachtungsweise der Schüler.

Plötzlich hätten sie einen anderen Blick und wollten herausfinden, wer nun wer sei. Er gebe aber ganz bewusst keinen Hinweis, erzählte Herlich gestern auf der Vernissage der Fotoausstellung "Schalom" in der U-Bahn-Galerie des Hauses der Geschichte, die jüdisches Leben in Deutschland der Jahre 2000 bis 2015 dokumentiert. "Ich sage den Kindern dann: Wenn ihr den mit der langen Nase sucht, dann seid ihr bis morgen früh beschäftigt. Ihr werdet ihn nicht finden." Denn: "Den gibt es nicht." Vorurteile und Schubladendenken aufzeigen und verdeutlichen, dass eine Religionszugehörigkeit zunächst einmal rein gar nichts über den Menschen aussagt: Das ist Rafael Herlichs Mission.

"Für mich ist es wichtig, den Respekt vor den Religionen zu zeigen", sagt der freie Fotograf, als er nach der Ausstellungseröffnung durch die U-Bahn-Galerie schlendert. "Ich gehe abends mit diesen Fotos schlafen und ich wache morgens mit diesen Fotos wieder auf." Dass dieses Bild mit den drei Maccabi-Spielern in Bonn nicht zu sehen ist, ist dabei lediglich ein winziger Schönheitsfehler. Herlichs Aufnahmen bilden auch die düsteren Seiten des Alltags jüdischen Lebens in Deutschland ab - antisemitische Schmierereien, wachhabende Polizisten vor Synagogen. "Jude ist ein wieder Schimpfwort geworden, auf Schulhöfen, Fußballplätzen und anderswo." Viel lieber wolle er die hellen Seiten abbilden, gesteht er. Wie zum Beispiel Vater und Sohn, beide mit Kippa, Hand in Hand in einer Fußgängerzone. Ganz selbstverständlich, völlig harmonisch ins Umfeld eingebunden. "Negative Schlagzeilen zu machen ist ganz einfach", sagt Herlich, der auch für Frankfurter Tageszeitungen fotografiert. "Ich will positive Schlagzeilen machen."

Die Ausstellung zeigt außerdem Fotografien des 1976 geborenen Benyamin Reich, der aus einer ultraorthodoxen Familie in der Nähe von Tel Aviv stammt und nach Studienaufenthalten in Paris und Jerusalem in Berlin lebt, sowie Arbeiten von Holger Biermann, Jahrgang 1973, ausgebildet an der Axel-Springer-Akademie in Berlin und nach einigen Jahren in New York seit 2003 als freier Fotograf in Berlin tätig.

Reich hat am Abend vor Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, zwei Frauen in einer Synagoge aufgenommen. Sie stehen nebeneinander, die eine trägt ein gewickeltes Kopftuch und entzündet eine Kerze, die andere hat beide Hände vors Gesicht geschlagen - ein sehr intimer Moment. Dass er auch ein versierter Porträtfotograf ist, beweist Reich mit seinem durchkomponierten Bildnis der jüdischen Fotografin Sharon Back. Biermann operiert vorwiegend mit Schwarz-Weiß-Filmen und einem betont nostalgischen Touch, der wie bei der Darstellung der gläubigen Juden im Berliner James-Simon-Park am Neujahrfest Rosch Haschana am Rande zur Verklärung steht.

"Schalom. 3 Fotografen sehen Deutschland", bis Juni 2016 in der U-Bahn-Galerie Haus der Geschichte, Tag und Nacht geöffnet.

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