Tanzgastspiel "If At All" Im Kreislauf der Gefühle

Der Kreis ist ein wiederkehrendes Motiv in Rami Be'ers Choreographie "If At All", die er 2012 für seine Kibbutz Contemporary Dance Company geschaffen hat.

 Am Anfang ist die Stille: Szene aus "If At All".

Am Anfang ist die Stille: Szene aus "If At All".

Foto: Theater Bonn

Neben der Batsheva Dance Company, die ebenfalls schon in der Bonner Reihe "Highlights des Internationalen Tanzes" zu Gast war, gehört die 1970 von der legendären Yehudit Arnon gegründete Truppe zu den israelischen Spitzen-Ensembles mit Weltklasse-Format. Ihr brillantes tänzerisches Können bewies die KCDC jetzt im zweimal fast ausverkauften Bonner Opernhaus.

"If At All", unzulänglich ins Deutsche übersetzbar als "Wenn überhaupt", beginnt still. In einem Lichtkreis auf der dunklen Bühne, in deren Hintergrund ein kleiner gelber Vollmond leuchtet, zelebriert eine Tänzerin ein meditatives Solo. Leise erklingt die ständig wiederholte Zeile "I'm building a sill to slow down the time" aus Bon Ivers "Woods". Bis eine Männerhorde in schwarzen langen Röcken hereinstürmt, die Frau umkreist und dann erschöpft in einer Linie im Vordergrund zu Boden geht. Immer wieder springt einer auf für ein kurzes rasantes Solo. Frauen in knappen schwarzen Kleidern mischen sich in die Szenerie, mal kokett verführerisch, mal mit selbstbewusster Energie. Man hört keuchenden Atem und Kinderlachen, bis Explosions- und Schussgeräusche zu stampfenden Rock-Rhythmen den Einbruch von Gewalt signalisieren. "If At All" schildert den Kreislauf der Gefühle und Stimmungen, der wiederkehrenden Ängste und Konflikte.

Unter die Haut geht eine Szene, in der die Männer eine Frau wie ein gefangenes Tier hereintragen. Schutzlos wehrt sie sich vergeblich gegen die brutale Übermacht. In die Ton-Collage, die von zeitgenössischen isländischen Komponisten bis zum Italiener Ludovico Einaudi reicht, mischen sich Stimmen, die von der Unsicherheit in der Vielfalt und der modernen Fragmentarisierung des Individuums berichten. In virtuosen Duetten, Terzetten und Ensembles umkreisen die barfüßigen Tänzerinnen und Tänzer den Kampf um eine eigenständige Existenz im Zyklus des Lebens. Der stabile kleine Mond könnte dabei am Ende auch eine Sonne sein. Denn in farbenfrohem Licht und weißen Kleidern heben sie den Kontrast der Geschlechter ebenso auf wie die unbarmherzig laufende Zeit. Sie schweben in einem imaginären, aber körperlich perfekt geerdeten Raum als flüchtige, bildmächtige Utopie mit tänzerisch ungeheurer Spannung, Lebenslust und -kraft. Bis zur nächsten Runde.

In der nächsten Woche am 3. Juni zeigt Flamenco-Diva Maria Pagés ihr "Autorretrato", am 6./7.6. folgt "Carmen" mit der Compañia Nacional de Danza aus Madrid. Wenige Tickets u.a. noch bei allen Vorverkaufsstellen des GA.

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