Gespräch mit dem Dirigenten Christof Prick Herausforderung WCCB als vorübergehende Bleibe

Bonn · Der aus Hamburg stammende Dirigent Christof Prick übernimmt in der kommenden Saison für ein Jahr die Leitung des Beethoven Orchesters Bonn. In dieser Zeit wird auch die Beethovenhalle saniert. Im GA-Gespräch erörtert der Musiker vor- und Nachteile der Interimsspielstätten.

Dirigent Christoph Prick (rechts) im September 2015 bei einem Konzert des Beethoven Orchesters mit den Solisten Julius Berger und Hyun-Jung Berger.

Dirigent Christoph Prick (rechts) im September 2015 bei einem Konzert des Beethoven Orchesters mit den Solisten Julius Berger und Hyun-Jung Berger.

Foto: Barbara Frommann

Das Wort Interimslösung hat für den Dirigenten Christof Prick eine doppelte Bedeutung. Bonn hat ihn verpflichtet, um ab der kommenden Saison für ein Jahr Chef des Beethoven Orchesters in Bonn zu werden, nachdem im Sommer vergangenen Jahres die Suche nach einem Nachfolger für den auf eigenen Wunsch aus dem Amt scheidenden Generalmusikdirektor Stefan Blunier gescheitert war. Zugleich betrifft das Interim die Situation des Orchesters, das im Herbst aus der Beethovenhalle, in der dann die Sanierungsarbeiten beginnen sollen, ausziehen muss und im WCCB eine vorübergehende Bleibe finden soll.

Auch wenn Prick sein Amt erst im August offiziell antreten wird, ist er seit seiner Verpflichtung mit der Planung beschäftigt. Natürlich hat er sich auch den WCCB-Saal angeschaut – und ist skeptisch. „Man kann sich nur ganz schwer vorstellen, dass dort einmal ein Ton Mozart oder Schubert lebendig werden soll“, zweifelt Prick. Mit einem Konzertsaal habe die Räumlichkeit nur wenig zu tun. Weder akustisch noch atmosphärisch. „Es muss noch eine Konzertmuschel eingebaut werden“, sagt er, „aber es ist noch in weiter Ferne, wann es gemacht wird.“ Für die Konzerttauglichkeit ist auch eine Nachhallanlage unabdingbar, für die die Stadt Bonn 2,45 Millionen Euro in die Hand nehmen will.

Der Bezug des WCCB wird freilich nicht nur für die Musiker, sondern auch fürs Publikum nicht ganz einfach. Schon weil die Abo-Plätze wegen der gänzlich anderen Raumsituation sich nicht eins zu eins übertragen lassen. „Das ist eine echte Herausforderung für unsere Marketing- und Vertriebsabteilung“, sagt Prick. Ob wirklich alle Abonnenten bedient werden können, scheint bislang nicht ganz ausgemacht zu sein. Denn noch ist laut Prick nicht klar, wie viel Plätze durch den Aufbau von Podium und Konzertmuschel verdrängt werden. „Es ist zu befürchten, dass im WCCB-Raum nicht die gleiche Anzahl wie in der Beethovenhalle unterzubringen ist“, sagt der 70-Jährige.

Aber das WCCB ist nicht der einzige Spielort in der kommenden Saison. Die Kinder- und Familienkonzerte werden in die Bad Godesberger Stadthalle und ins Beueler Brückenforum ausgelagert. Im Brückenforum wird das Beethoven Orchester auch überwiegend proben. Hier soll das Orchester etwa einhundert Proben abhalten, nur die Haupt- und Generalproben finden in den jeweiligen Konzertsälen statt. Da der Betrieb im kommerziell genutzten Brückenforum weitergehen muss, kommt auf das Orchester einiges an zusätzlicher Arbeit zu. „Es muss ständig wieder alles weggeräumt und wieder aufgebaut werden“, sagt Prick.

Als weitere Spielstätte steht die Aula der Universität zur Verfügung, wo der in Hamburg geborene und aufgewachsene Dirigent bereits das Eröffnungskonzert des Beethovenfestes im vergangenen Jahr dirigiert hatte und die er als Glücksfall bezeichnet. „Das ist ein optimaler Raum, er klingt schön und ist von der Größe ideal für Stücke mittleren und kleineren Formates, wie wir sie in der Reihe 'Klassik um 11' anbieten. Wenn ich für längere Zeit in Bonn wäre, würde ich alles dafür tun, den Saal für das Orchester zu erhalten.“

Das Konzertangebot soll in der kommenden Saison unter der Interimssituation nicht leiden. Wir können ja nicht anfangen, auch das künstlerische Angebot zu reduzieren. Die Anzahl der Konzerte wird ebenso bleiben, wie die Zahl der Reihen. „Da werden keine Abstriche gemacht“, sagt Prick, der sich zu den Inhalten der Konzerte aber noch nicht konkret äußern möchte. Auch das noch junge „BOB goes...“-Format will er von Blunier übernehmen.

Ein bisschen lässt sich Prick jedoch schon in die Karten schauen. Nach Bluniers Beethoven-Schwerpunkt wird er auf diesem Gebiet ein wenig zurückhaltender werden. Die Beethovennacht aber wird es gleichwohl auch im Dezember 2016 wieder geben. „Ich will vor allem Stücke machen, die lange nicht mehr in Bonn auf der Menükarte gestanden haben oder vielleicht sogar noch nie gespielt wurden.“ Das müssen dann keine unbekannten Werke sein. ein Schwerpunkt will Prick auf Klassiker des 20. Jahrhunderts legen. „Das wird dann gemischt mit der Wiener Klassik und dem Umfeld. In den großen Konzerten werde ich dann auch ein paar große Brocken dirigieren.“ Und weil das Freitagskonzert im Juli 2017 auf den 14. des Monats, dem französischen Nationalfeiertag, fällt, wird es ein komplett französisches Programm geben. Welche Komponisten mit von der Partie sein werden, darüber schweigt sich Prick jedoch noch aus.

Bonn war einmal stolz darauf, mit Thomas Honickel den ersten hauptamtlichen Konzertpädagogen zu beschäftigen, der von einer Stadt eingestellt worden ist. Jetzt wird am Education-Programm gespart. Man habe sehr um den Erhalt gekämpft, sagt Prick, immerhin nicht ganz ohne Erfolg. Doch: „Das Angebot wird vielleicht nicht in Gänze erhalten bleiben können.“ Prick warnt davor, sich nach und nach ganz von der pädagogischen Schiene zu verabschieden: „Man kann Education und Schulbesuche nicht aufgeben, wenn man in 15 Jahren noch Publikum haben will.“

Von den städtischen Kammermusikreihen mit prominenten Ensembles und Solisten wird man sich in der nächsten Saison verabschieden müssen. Kammerkonzerte mit Ensembles aus den Reihen des Beethoven Orchesters aber wird es wohl weiterhin geben. „Das ist für ein Orchester von allergrößter Wichtigkeit“, sagt Prick. „Denn wer Kammermusik macht , bleibt musikalisch fit.“ Allerdings wird sie nicht mehr in der jetzigen Form der Montagskonzerte in der Villa Prieger geben. „Die werden sich auch räumlich verändern.“

Bis zum Saisonbeginn hat Prick noch einiges vor. In Hamburg dirigiert er die Wiederaufnahme von Peter Konwitschnys Inszenierung von Webers „Freischütz“, auch in den USA hält er sich für eine Weile auf. Mit dem Bonner Orchester unterhält er während dieser Zeit sozusagen eine Standleitung.

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