Tom Gerhardt im GA-Interview "Hausmeister Krause" vor dem TV-Comeback?

BONN · Der Kölner Schauspieler und Komiker Tom Gerhardt bringt im Bonner Contra-Kreis-Theater die neue Komödie „Ketten der Liebe“ zur Aufführung und spricht im Interview auch über eine mögliche Rückkehr seiner Kultfigur Hausmeister Krause ins Fernsehen.

 Tom Gerhardt: „Das Publikum bricht jedes Mal in großen Jubel aus, wenn Hausmeister Krause die Bühne betritt – in Bonn wird es nicht anders sein“

Tom Gerhardt: „Das Publikum bricht jedes Mal in großen Jubel aus, wenn Hausmeister Krause die Bühne betritt – in Bonn wird es nicht anders sein“

Foto: Steffi Henn

GA: Herr Gerhardt, vor 20 Jahren haben Sie mit dem prolligen Film „Ballermann 6“ fast eine Kulturkrise ausgelöst. Erinnert sich noch jemand an den Streifen?

Tom Gerhardt: Und ob! Ich werde oft und vor allem von jungen Leuten angesprochen, die kaum älter sind als der Film. Die kennen alle Sprüche auswendig. Und zum 20. Geburtstag von „Ballermann 6“ wurde ich auf die Insel gezerrt, um das Jubiläum mit Fans zu feiern.

GA: Und, wie war's auf Mallorca?

Gerhardt: Es war ein Event – mit einigen Tausend Menschen, darunter viele Leute, die nachgeschneiderte Jacken und Pudelmützen aus dem Film trugen. Ich war den Tränen nah.

GA: Heute machen Sie Theater. Was war der Impuls zum Stück „Ketten der Liebe“?

Gerhardt: Ich war zwei Jahre lang mit der Komödie „Dinner für Spinner“ von Francis Veber unterwegs, die Regisseur René Heinersdorff und ich kräftig bearbeitet hatten. Im Stück habe ich die Rolle des Tollpatsch-Terminators Matthias Bommes. Er ist eine Umkehr des Mephisto: „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft.“ Ein topaktuelles Thema eigentlich.

GA: Bei „Dinner für Spinner“ mischt Bommes die Tafelrunde eines zynischen Verlegers auf. Was tut er jetzt?

Gerhardt: Dieses Mal ist sein Opfer ein berühmter deutscher Rockmusiker, der den aufrechten Superkumpel gibt. Ein Sänger, der vor der Kamera treuherzig für die Gerechtigkeit und den Weltfrieden eintritt.

GA: So die Richtung Peter Maffay?

Gerhardt: Das habe ich nicht gesagt. Ich kenne ihn ja nicht privat. Aber ist es nicht rührend? Fast unsere ganze Künstlerschar ist in Talkshows so hinreißend politisch korrekt, dass es einem beinahe das Herz bricht. Und unser Deutschrocker Andy Roth ist der Freund, der deine Seele genau versteht, ehrliche Gefühle mag. Sein Wahlspruch heißt: „I’am a stayer, not a player.“

GA: Klingt verdächtig, oder?

Gerhardt: Klar, er nimmt es irgendwie wörtlich: Er vernascht jedes Groupie, das nicht schnell genug auf dem Baum ist. Und er spielt bei „Rock für den Frieden“, doch wenn sich die Garderobentür hinter ihm schließt, heult er sich die Augen aus, weil er dort ohne Gage auftreten soll.

GA: Und dieser Andy wird nun mit Matthias Bommes bestraft, der ein Meet & Greet, ein Treffen mit dem Superstar gewinnt?

Gerhardt: Andy hat gleich zwei Geister aus der Flasche gerufen: einmal das Groupie Jessie, das er in einer Liebesnacht mit losen Sprüchen eingewickelt hat. Und dann hat er den Superfan Bommes am Hals, der wiederum Textzeile für Textzeile von Andys Songs in sich aufgesogen hat und ihn beim Wort nimmt: Du drückst alles aus, was tief in mir ist. Was für ein Irrtum.

GA: Was treibt diesen Bommes an?

Gerhardt: Andy hat ihm vor laufender Kamera gesagt, er brauche Leute wie ihn. Damit beginnt für Bommes eine Mission. Er weicht nicht mehr von seiner Seite und überlegt ständig, wie er Andy helfen könnte.

GA: Wie trimmt man diese Stalking-Situation auf Komödie?

Gerhardt: Na ja – haben wir Mitleid mit dem „Heuchler“ bei Moliere? Hätten wir uns geärgert, wenn der exaltierte und respektlose Klaus Kinski sich mal eine Ohrfeige eingehandelt hätte? Nein, wir hätten gelacht.

GA: Ist das noch klassischesBoulevard-Theater?

Gerhardt: Von der Form her gibt es Parallelen, aber Inhalte und Tonlage sind anders. „Ketten der Liebe“ ist eine Komödie, die in guten Boulevard-Theatern gespielt wird. Sie könnte aber auch in der Bonner Springmaus gespielt werden, sogar in einem abgerockten Szene-Laden. Und niemand würde sich wundern.

GA: Man hat den Eindruck, dass Ihnen das Schreiben liegt. Oder lieber das Spielen? Oder beides?

Gerhardt: Das Schreiben ist mühsam. Da martert man sein Hirn den ganzen Tag und hat am Abend Rückenschmerzen und weiß noch nicht mal, ob das überhaupt jemals gut ankommt.

GA: Aber?

Gerhardt: Es ist auch eine tolle Chance, sich die Rollen maßgerecht auf den Leib zu schreiben. Fast alles, was ich bisher gespielt habe, habe ich auch geschrieben, selten allein, meist mit Co-Autoren. Bühne, Kino, Fernsehen: Wir haben uns über den Dächern von Köln da durchgekämpft. „Hausmeister Krause“ hat uns lange beschäftigt: 80 Folgen, jeden Satz selbst in den Computer eingegeben.

GA: Was kommt da zusammen, hochgerechnet?

Gerhardt: Bei 80 Folgen kommst du auf etwa 2400 Seiten Drehbuch. Wenn man berechnet, was nach späterer Durchsicht wieder im Mülleimer landet, sind dafür aber vielleicht 10 000 Seiten geschrieben worden. Für jede Seite, die bleibt, wirfst du vielleicht fünf wieder weg.

GA: Nervt es Sie, wenn man Sie noch auf den „Hausmeister Krause“ anspricht?

Gerhardt: Überhaupt nicht. Ich freue mich, dass sich diese Serie derart in den Köpfen eingebrannt hat. Bei „Ketten der Liebe“ hat Hausmeister Krause einen Gastauftritt. Das Publikum bricht jedes Mal in großen Jubel aus, wenn er die Bühne betritt. In Bonn wird es nicht anders sein.

GA: Womit wir wieder bei dem Ultra Bommes wären: Was wäre, wenn die Fans ihr Idol zwingen würden, den Hausmeister wieder ins Fernsehen zu bringen?

Gerhardt: Da müssten sie zuerst die Sender zwingen, dies zu tun. Aber, was das angeht, so habe ich bereits erste zarte Andeutungen vernommen. Tatsache ist, dass ein großes Publikum mit einer unglaublichen Anhänglichkeit darauf wartet, dass genau das passiert.

GA: Wären Sie denn bereit, den Hausmeister erneut ins Rennen zu schicken?

Gerhardt: Für eine neue Staffel wäre, nach all den Jahren, ausreichend Stoff vorhanden.

GA: War die Figur nach 80 Folgen noch nicht ausgereizt?

Gerhardt: Erst mal schon. Jetzt nicht mehr. Eines ist bemerkenswert: Für eine solche Sitcom gibt es im deutschen Fernsehen erstaunlicherweise kaum Parallelen. Diese Form hat sich hier nicht wirklich durchgesetzt. Sie ist auch nicht einfach zu schreiben.

GA: Sie bräuchten für eine Neuauflage nur einen frischen Dackel, oder?

Gerhardt: Nicht nur das. Man müsste die Serie neu aufstellen. Mit einigen neuen Figuren und mit Überraschungen. Ob das nun passiert? Na ja, es muss nicht sein, aber könnte sein. Die Leute fragen mich täglich danach, egal wo ich auftauche.

GA: Was ist so aufregend an diesem Hausmeister Krause?

Gerhardt: Aufregend kann man ihn nicht gerade nennen, diesen verstockten, hölzernen und meist verbiesterten Krause in seiner piefigen kleinen Welt. Und so schrecklich Krause auch ist, er hat etwas zutiefst menschliches.

GA: Ein Sympathieträger also?

Gerhardt: Na ja, er buckelt nach oben und tritt nach unten. Trotzdem: Man versteht ihn, weil man weiß, woher es kommt. Auch seine Bosheiten, seine Paranoia. Oder seine verzweifelte Liebe zum Tier, sein Ehrgeiz im Dackelclub. Das lieben die Leute, und darum verkleiden sich viele im Karneval als Hausmeister Krause. Sehr aufwendig ist das Kostüm ja auch nicht.

GA: Der Hausmeister hat Ihnen sogar einen Titel eingebracht: Sie sind Ehrenbürger von Köln-Kalk. Bringt das Vorteile? Lebenslänglich freies Parken in Kalk?

Gerhardt: Soweit ich weiß, dürfte ich innerhalb von Kalk kostenlos Schwimmbäder besuchen und mit der Straßenbahn fahren. Das Problem: Wenn ich von Kalk über den Rhein fahre, bin ich schon wieder Schwarzfahrer.

GA: Also nur gefühlte Vorteile?

Gerhardt: Ehrenbürger des Stadtteils Kalk zu sein finde ich fast noch besser als von ganz Köln.

GA: Warum das?

Gerhardt: Es hat einen humorvollen Aspekt. So war die Verleihung wohl auch gedacht. Wobei meine Verdienste um Kalk nicht zu bestreiten sind: Ich habe diesen Stadtteil in drei Kinofilmen und mit Hausmeister Krause zehn Jahre lang im Fernsehen bestens im Gespräch gehalten.

GA: Das heißt?

Gerhardt: Der Bürgermeister hat mit der Verleihung ein gerechtes Werk getan.

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