Preisverleihung im Beethoven-Haus Gold und Silber für die Haltung

Bonn · Der Pianist Igor Levit, der als einer der ersten Musiker seinen "Echo" zurückgab, erhält im Kammermusiksaal den Beethovenring der Bürger für Beethoven.

 Herr des Ringes: Igor Levit (links) und Stephan Eisel.

Herr des Ringes: Igor Levit (links) und Stephan Eisel.

Foto: Barbara Frommann

Lange musste der Platz in Igor Levits Trophäenvitrine nicht verwaist bleiben, nachdem der Pianist den Echo aus Protest gegen die Preisverleihung an die Rapper Kollegah und Farid Bang zurückgegeben hatte. Am Samstag kam Ersatz in Form des Beethovenrings der Bürger für Beethoven, den er im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses entgegennahm. Der von der Bonner Juwelierin Patricia Richarz gestiftete und in ihrer Werkstatt gefertigte Ring aus 18-karätigem Roségold und Sterlingsilber wird zwar weniger Platz einnehmen als der Echo, aber das mindert den Wert des Bonner Unikats natürlich nicht.

„Bürger“-Vorsitzender Stephan Eisel erinnerte bei der Verleihung daran, dass es sich nicht um einen Jury-Preis handele, sondern um eine Auszeichnung, über die die „Bürger“ abstimmen. Das Prozedere: In jedem Jahr wählen die Vereinsmitglieder aus den fünf jüngsten Künstlerpersönlichkeiten, die beim Beethovenfest auftreten, denjenigen, dessen Interpretation eines Werks Beethovens am meisten überzeugte hat. Und das war 2017 der 1987 in Gorki (Nischni Nowgorod) geborene, in Hannover aufgewachsene und heute in Berlin lebende Levit, einer der profiliertesten Pianisten weltweit.

Auch wenn die Wahl auf ihn wegen seines Beethovenspiels fiel, spielte seine Präsenz als Homo Politicus bei der Preisverleihung im Kammermusiksaal eine kaum weniger geringe Rolle. Schon Walter Scheurle, stellvertretender Vorsitzender der „Bürger“, lobte Levit für die Echo-Rückgabe: „Da ist es gut, dass es Künstler wie Igor Levit gibt, die in der Öffentlichkeit stehen und die sich klar und deutlich gegen solche Machwerke positionieren.“

Levit selbst nutzte die Gelegenheit, aus dem Stegreif („Ich habe nichts vorbereitet“) seine Haltung in dieser Angelegenheit zu verdeutlichen. „So zu tun, als wäre der Echo jetzt eine nicht mehr moralische Veranstaltung wäre geheuchelt“, sagte er. Sie sei kommerziell, „und wir alle sind Teil davon“. Selbst, dass die Ethik-Kommission des Preises versagt habe, sei nicht das eigentlich Schlimme. „Das eigentlich Schlimme ist, dass sich ein Konsens verschiebt.“

"Niemand ist verpflichtet, irgendetwas zurückzugeben"

Die Gesellschaft ist Levits Meinung nach gleichgültiger geworden gegenüber Inhalten, wie sie die Rapper auf der Bühne präsentieren. „Sich darüber Gedanken zu machen, wäre mehr wert, als aufzuzählen, welche Künstler ihre Preise nicht zurückgegeben haben. Niemand ist verpflichtet, irgendetwas zurückzugeben. Zurückzugeben ist einfach.“ Er sagte auch, dass es sehr leicht sei, seine Meinung auf der Konzertbühne kundzutun. Die Mehrheit des Publikums sei eh derselben Meinung. „Das ist aber gar nichts wert, wenn das nicht außerhalb der Wände des Konzertsaals ins reale Leben übersetzt wird.“ Aber natürlich zeigte Levit an diesem Abend auch seine Qualität als Musiker und spielte zwei Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven. Auch hier bewies der Musiker Haltung, indem er sich nicht dem Mainstream anschließt. Denn die Grave-Einleitung aus op. 13 in c-Moll, der Pathétique, so extrem gedehnt zu spielen, zeugt ebenfalls von Mut. Levit aber gelang es damit, eine ungeheure Spannung zu erzeugen, aus der sich das Allegro Bahn bricht.

Ungewöhnlich auch das sehr langsam genommene Andante, das im Mittelteil beinahe zum Stillstand zu kommen schien. Dass er aber wunderbar auf dem Klavier zu singen versteht, zeigte er nicht nur in dem populären Hauptthema des Satzes, sondern auch im Adagio der weniger bekannten Klaviersonate op. 22 in B-Dur. Hier erreichte sein Spiel geradezu himmlische Sphären.

Nach dem Rondo gab es im ausverkauften Saal großen Applaus und noch eine sehr außergewöhnliche Zugabe: ein von dem amerikanischen Komponisten Frederic Rzewski im Andenken an den Schauspieler Steve Ben Israel komponiertes Klavierstück aus dem Zyklus „Dreams“. Levit spielte die Musik des mit ihm befreundeten Komponisten mit Klangsinn und Herzblut. Sein Titel: „A Mensch“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Horror, Fußball und Mörderinnen
„Internationales Frauenfilmfestival“ in Köln und Dortmund Horror, Fußball und Mörderinnen
Zum Thema
Aus dem Ressort