Aufführungen in der Kölner Oper Gesänge gegen den Tod

Überall wo Gebäude zerstört wurden, wird man wohl auch nach Verschütteten gesucht haben. Insofern ist die Trümmerlandschaft der im Zweiten Weltkrieg zerbombten Kölner Kirche St. Kolumba schon ein sehr gut gewählter metaphorischer Ort, um Leos Janáceks Liederzyklus "Tagebuch eines Verschollenen" szenisch aufzuführen, wie es die Kölner Oper jetzt im nur einen Steinwurf von der Oper am Offenbachplatz entfernten Diözesanmuseum Kolumba gewagt hat.

 Savitri (Adriana B. Gamboa) will den Geliebten zurück.

Savitri (Adriana B. Gamboa) will den Geliebten zurück.

Foto: Lefebvre

Die von dem Architekten Peter Zumthor auf geniale Weise umbaute Ruinenlandschaft der Kirche wird zum Schauplatz einer Liebesgeschichte, in der ein junger Mann namens Janek der Zigeunerin Zefka verfällt und am Ende mit ihr und dem gemeinsamen Sohn die Heimat verlässt. Die inneren Konflikte, mit denen Janek ringt, gestaltet der australische Tenor John Heuzenroeder auf packende Weise. Er klettert durch die Ruinenlandschaft, sammelt und klopft Steine, und singt die Lieder mit anrührender Expressivität. Mit der Zeit vergisst man auf den Stehplätzen des langen Steges, der durch die Ausgrabungsstätte führt, sogar die zugige und kühle Umgebung.

Béatrice Lachaussée inszeniert das Stück eher dezent. Die Handlung spielt überwiegend auf einem Gitterrost, an dessen Ende eine Treppe zu einer Art Zelt führt, dessen Wand immer mal wieder als Projektionsfläche für Schattenspiele der Zigeunerin taugt. In der Gestalt von Adriana Bastidas Gamboa wird sie gleichsam zur kaum weniger verführerischen Schwester der Bizet-Carmen. Der anspruchsvolle Klavierpart ist bei Rainer Mühlbach in besten Händen, der die harmonischen und atmosphärischen Feinheiten der Partitur sicher zum Klingen bringt. Die instrumental eingesetzten Frauenstimmen sangen Justyna Samborska, Judith Thielsen und Maarja Purga.

Im Anschluss wurde das Publikum von einem Geiger die Treppen hinauf zum Raum 13 geführt, einem großen Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst, wo Bernhard Leitners klingende Ton-Raum-Komposition "Serpentinata" sich um eine kleine Bühne in der Raummitte schlängelt, die zum Spielort des zweiten Teils dieses Doppelabends wird, der für Gustav Holsts Kammeroper "Savitri" reserviert ist. Zwei Streichquartette, Kontrabass, Flöten, Englischhorn und ein Stimmquintett lassen eine atmosphärische, zwischen kammermusikalischer Feinzeichnung und üppigem Wagnerklang changierende Musik ertönen, die der britische Komponist für seine eigenhändig aus dem Sanskrit ins Englische übertragene Geschichte komponiert hat.

Die Titelheldin, die von der ganz in Rot gekleideten Adriana Bastidas Gamboa grandios verkörpert wird, verliert ihren Mann Satyavan an den leibhaftigen Tod (mit machtvollem Bass und nosferatuhafter Gestalt: Luke Stoker). Doch durch eine klug eingefädelte List kann sie dem Tod Satyavans Leben wieder abtrotzen. Der Tenor Taejun Sun singt den Geliebten mit beeindruckendem Volumen, das freilich - wie auch bei den anderen beiden - durch die extreme Akustik des Raumes erheblich verstärkt wurde. Die musikalische Begleitung fiel mit dem aus Kölner Musikstudenten bestehenden Alinde Quartett, einigen Musikern des Gürzenich-Orchesters sowie dem Stimmquintett unter Leitung von Rainer Mühlbach ganz exquisit aus. Großer Applaus für den Doppelabend, der dem Kolumba-Konzept vom "lebenden Museum" eine spannende Facette hinzufügt.

Weitere Termine: 4., 6., 7., 10., 13. und 16. Juni. Die Vorstellungen sind ausverkauft, Restkarten gibt es noch für den 13. Juni.

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