Neue Direktorin des Institut français Bonn Françoise Rétif: "Routine ist gefährlich"

Bonn · Die Franzosen lieben die Deutschen immer mehr - wenn man Umfragen glaubt. Nach einer großen Online-Umfrage der Deutsch-Französischen Hörfunkkommission von SR, ARD, Arte, Deutschlandradio und Radio France können sich rund 60 Prozent der befragten Franzosen vorstellen, in Deutschland zu arbeiten.

 Von Rouen nach Bonn: Françoise Rétif.

Von Rouen nach Bonn: Françoise Rétif.

Foto: Andrea Künstle

44 Prozent sehen in der Bundesrepublik ein Modell für das eigene Land. Das Deutschlandbild der Franzosen scheint sich also seit dem Ende des letzten großen Krieges deutlich gewandelt zu haben. Dennoch: Françoise Rétif, neue Direktorin des Institut français Bonn und Hochschulattachée der französischen Botschaft für Nordrhein-Westfalen und Hessen, ist nicht zufrieden.

Die Professorin für deutsche Literatur an der Universität von Rouen und Ingeborg-Bachmann-Expertin sieht immer noch Defizite - auf beiden Seiten. "Der Deutsche arbeitet gern, steht früh auf und ist streng - das sind die Klischees, die in den Köpfen der Franzosen festsitzen. Andererseits wissen die Deutschen auch nicht sehr viel über Frankreich. Wenn sie an Frankreich denken, dann fällt Ihnen in erster Linie Baguette und schönes Essen ein", so Rétif.

Die Medien trügen nicht sehr viel dazu bei, dass sich das ändert. Und auch die Sprachkenntnisse der beiden Nachbarn könnten besser sein: Nur 28 Prozent der deutschen Schüler lernen Französisch, umgekehrt wählen gerade einmal 16 Prozent der Franzosen Deutsch als zweite Fremdsprache.

Was die überzeugte Europäerin aber besonders beschäftigt, ist, dass das freundschaftliche Verhältnis zwischen den beiden Nationen immer selbstverständlicher, routinierter werde: "Das ist gefährlich", findet die Pariserin. "Ohne Frankreich und Deutschland gibt es kein vereintes Europa." Und die beiden müssten sich noch viel mehr einander annähern, findet sie. Doch der Trend gehe in Richtung USA.

"Auch auf universitärer Ebene liegt die Tendenz eher bei transatlantischen Kooperationen." Rétif möchte mehr Austausch zwischen Schülern, mehr Austausch zwischen Studenten und Wissenschaftlern, aber auch zwischen Bürgern, weshalb sie Städtepartnerschaften wie etwa zwischen Beuel und Mirecourt überaus wichtig findet.

Besonders vernachlässigt werde aber der Austausch auf der "Arbeitsebene", also der zwischen Auszubildenden, Ausbildern, Gewerkschaftern und Facharbeitern. "Nur die Kenntnis des Anderen führt auch zu einer besseren Verständigung", sagt sie. Und dazu tragen die Goethe-Institute in Frankreich und die deutsch-französischen Kulturzentren in Deutschland erheblich bei.

Allerdings haben beide Länder das Netz ihrer Kulturzentren drastisch verkleinert. Vor zehn Jahren gab es noch doppelt so viele Instituts français, heute sind es elf und zehn deutsch-französische Kulturzentren. Die Deutschen wiederum schlossen längst Institute in Lille, Nantes und Marseille.

Für Françoise Rétif steht außer Frage, dass sich Freundschaften nur über enge Kontakte festigen lassen, dass das Verständnis füreinander nur über die Kultur und die Sprache geschaffen werden kann. Das Institut français Bonn hat daher auch in diesem Jahr wieder ein ebenso ausgefallenes wie vielseitiges Kultur- und Sprach-Programm im Angebot.

Zum Beethovenfest etwa wird der französische Komponist David Chaillou eine Bearbeitung eines Beethoven-Werkes präsentieren. Sie wird am 2. Oktober aufgeführt. Doch vorher gibt es auch noch viel für Augen, Ohr und Seele.

Weitere Informationen im Internet unter www.institutfrancais.de/bonn

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