Bundeskunsthalle Enttäuschende Premiere der Oper "Leben auf der Baldrianrakete"

BONN · Zunächst las sich das alles sehr verheißungsvoll: Keine Oper im klassischen Sinne sollte es werden, sondern ein "Musik-Spiel voller Fantasie und Skurrilität, Poesie, Drama, Zeit, Humor und Tanz". Die Weltraumoper des Leipziger Künstlers Wolfgang Krause Zwieback "Das Leben auf der Baldrianrakte" versprach einen Abend ganz im Zeichen des "Sinnlichen Surrealismus".

 Der leuchtende Engel: Corinna Harfouch (rechts) hebt als Marlene Dietrich ab, während der Rest am Boden bleibt.

Der leuchtende Engel: Corinna Harfouch (rechts) hebt als Marlene Dietrich ab, während der Rest am Boden bleibt.

Foto: Bundeskunsthalle

Was dann geschah, ließ das Publikum im gut besuchten Forum der Bundeskunsthalle eher etwas ratlos zurück, denn schon die Handlung war verwirrend: Mit All-Schiff 7 - "Das einzige mit Orchester und Parkettboden!" - brechen Chefpilot Pit Cock (Wolfgang Krause Zwieback) und seine Besatzung, bestehend aus dem Komponisten der Oper, Gundolf Nandico als Ein-Mann-Orchester und DJ, der Sopranistin Jana Reiner, der Tänzerin Steffi Sembdner und dem Multitalent Marie Nandico, auf zur Weltraummission. An Bord als "Spezialpassagier": Corinna Harfouch als Marlene Dietrich.

Nach einigen Fehlstarts, die mit viel Getöse, Vibration und gleißendem Scheinwerferlicht auf der laufstegartigen Bühnenkonstruktion in Szene gesetzt werden, endet die als "Entdeckungsfahrt ins Unbekannte" angekündigte Reise - ja wo eigentlich? Irgendwo im Reich der Assoziationen.

Denn anspielungsreich und teilweise selbstreferenziell ging es nicht nur auf der Textebene zu (ein Telefonat Marlenes mit Obama, ihre Kommentare zur Reise mit All-Schiff 7, Kochrezepte). Auch die Ausstattung, die weiße futuristische Kleidung der Besatzung, die Tanzeinlagen und Pantomimen, das Urwald-Bühnenbild im Hintergrund eröffneten ein weites Feld an Interpretationen. Ein großes Plus war die Musik: vom betörend-verstörenden Sirenengesang Jana Reiners über das satte Kornett-Spiel Gundolf Nandicos bis hin zu den eingespielten Synthesizer-Klängen, Techno-Beats und afrikanischen Rhythmen lieferte sie einen variantenreichen Begleitsound. Und Publikumsmagnet Corinna Harfouch war unangefochten der Star des Abends: Sie gab die Diva mit lässiger Exaltiertheit, besaß vom ersten Erscheinen an einnehmende Bühnenpräsenz und sprach ihre Texte so prononciert und nuanciert, dass man auch Banalitäten aufmerksam lauschte.

Inhaltliche Substanz und ein übergeordneter Zusammenhang fehlten diesem Musik-Spiel jedoch: Für eine Oper hatte das Ganze nicht genügend Melodramatik. Für eine Zivilisationskritik mangelte es an Ernst und Tiefe. Für eine Groteske war es nicht unterhaltsam genug. Was sich im ersten Drittel noch als ein irritierend schillerndes Spektakel anließ, erschöpfte sich bald in ziellosem Aktionismus, bei dem keiner der vielen Funken überspringen wollte.

Von ein paar jubelnden Harfouch-Fans einmal abgesehen, applaudierte das gutwillige und geduldige Publikum am Ende eher höflich als begeistert. Wo es 90 Minuten lang keine Pointe gibt, da kann einfach nichts zünden.

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