Beethovenfest 2015 Entdeckungstour von großem Format

BONN · Wie macht man aus der Beethovenhalle einen halbwegs intimen Konzertsaal für ein nicht allzu großes sinfonisches Ensemble?

 Erst Rücken an Rücken, dann Seite an Seite: Claire Chevallier und Jos van Immerseel bei der vierhändigen Zugabe.

Erst Rücken an Rücken, dann Seite an Seite: Claire Chevallier und Jos van Immerseel bei der vierhändigen Zugabe.

Foto: Barbara Frommann

Das Beethovenfest baute seinem diesjährigen "Orchestra in residence", der Formation Anima Eterna aus dem belgischen Brügge, eine Bühne vor der Bühne, verkleinerte also den Saal und rückte die etwa 40 Musiker ein bisschen näher an ihr Publikum. Das war optisch zwar grenzwertig, lieferte aber akustisch ein sehr brauchbares Ergebnis.

Jos van Immerseel, der Gründer und Dirigent des seit 1987 bestehenden Projekt-Orchesters, ist ein leidenschaftlicher Anwalt der historischen Authentizität in der Interpretation, er lässt natürlich auf historischen, der Entstehungszeit entsprechenden Instrumenten spielen - und er hat offenbar Freude daran, sein Publikum mit Entdeckungen jenseits des üblichen Repertoires zu überraschen.

Manches lohnt jeden Einsatz - wie beim ersten von drei Auftritten in Bonn beispielsweise die 3. Sinfonie von Franz Berwald -, manch anderes freilich bestätigt nur, dass eine Komposition ganz zu Recht in der Schublade liegt.

Das betraf beim Bonner Gastspiel Felix Mendelssohn Bartholdys Konzert für zwei Klaviere und Orchester in E-Dur, ein ungemein weitschweifiges Werk des 14-jährigen Felix, das er für sich und seine Schwester Fanny geschrieben hat und das mit all seinen netten musikalischen Girlanden nur belegt, dass die beiden Geschwister offenbar recht gut Klavier spielen konnten.

Van Immerseel überließ die Führung des Orchesters seiner Konzertmeisterin; an zwei Hammerflügeln versuchten er und die Pianistin Claire Chevallier, Rücken an Rücken dem Werk ein bisschen Überzeugungskraft abzugewinnen. Es blieb freilich weitgehend bei der schönen Vorführung des apart hellen Klangs der historischen Instrumente. Ganz anders schaute es bei der 3. Sinfonie von Franz Berwald (1796-1868) aus, einem der eigenwilligsten Komponisten des 19. Jahrhunderts.

Der Schwede deutscher Herkunft, der zu Lebzeiten in seinem Heimatland kaum anerkannt wurde und sich als Orthopäde und Betriebsleiter einer Sägemühle und eines Glaswerkes durchs Leben rangelte, hat diese 3. Sinfonie "singulière" genannt, also außergewöhnlich, einzigartig.

Sie hat eine Überfülle an Ideen, steckt voller Überraschungseffekte, überrumpelt mit verwegener Rhythmik und klingt manchmal so, als spaziere Berlioz durch schwedische Wälder. Jos van Immerseel, der sich als Dirigent fast unsichtbar machte, verordnete seinem Ensemble eine spannende Balance zwischen Schroffheit und lyrischem Zauber - eine Entdeckungstour von großem Format.

Zuvor hatte es Klassisches gegeben, Beethovens Egmont-Ouvertüre, die in ihrer dramatischen Zuspitzung ein bisschen blass blieb, und Haydns "Londoner" Sinfonie Nr.104. Die hatte Schwung in ihren Ecksätzen, zierlichen Gestus im Andante und beherzten Zugriff im Menuett - kurzum ein Musterbeispiel für temperamentvolles Musizieren im historischen Klanggewand.

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