Brotfabrik in Beuel "Eine Winterreise": Tanz-Uraufführung von Choreograph Martin Chaix

BEUEL · "Fremd bin ich eingezogen..." erklingt auf Norwegisch. Der französische Choreograph Martin Chaix lässt in seiner Interpretation von Franz Schuberts berühmtem Liederzyklus "Winterreise" zu Gedichten von Wilhelm Müller die Sprache ausdrücklich fremd erscheinen und verzichtet dann ganz darauf.

Sein am Freitag in der Brotfabrik uraufgeführtes erstes abendfüllendes Tanzstück ist "Eine Winterreise". Eine moderne Reise in die Welt des "mood indigo", in die tiefste Einsamkeit und trostlose Erstarrung. Chaix begreift den romantischen Weltschmerz als universales Gefühl, kombiniert die Originalmusik mit Jazz-Versionen und lässt den Blues durchscheinen.

Kälte strahlt die Lichtinstallation aus, die der niederländische Künstler Felix Aarts dafür entworfen hat. Wie ein Baum verzweigt sich seine Skulptur aus Neonröhren und suggeriert den Lindenbaum am Brunnen vor dem Tore, wo der Wanderer ewige Ruhe finden könnte.

Hier ist es eine Frau. Die hervorragende Tänzerin Ann-Kathrin Adam durchläuft alle Stationen dieses Passionswegs von der tieftraurigen Verlassenheit ("My man's gone") zu neuer Hoffnung und Enttäuschung, bis sie am Ende bei den fahlen Quinten des "Leiermanns" (den Part der Stimme übernimmt hier das Saxofon) immer wieder stürzt, tapfer aufsteht und schließlich doch den aussichtslosen Lebenskampf verzweifelt aufgibt.

Ihren gefrorenen Tränen zwingt sie ein Lachen ab, wenn plötzlich ein Frühlingstraum die zärtliche Nähe des Geliebten verspricht. Der junge Friedrich Pohl tanzt mit ihr sehr sensibel diesen imaginären Glücksmoment, dessen Scheitern absehbar ist. Wie ein Irrlicht mischt sich der auf Jamaika geborene Rashaen Arts in die kurz aufgeflammte Beziehung ein und wirbelt munter die Schneeflocken auf, die nach und nach den Boden bedecken. Wie ein Leichentuch, denn hinter allem trotzigen Lebensverlangen steht die Sehnsucht nach dem Tod.

Chaix? gut einstündiges Ballett illustriert nicht die einzelnen Lieder, sondern erzählt die Geschichte einer emotionalen Verstörung. Bei der ausverkauften Premiere wurde das Team für seine großartige Leistung mit Beifall geradezu überschüttet. Insbesondere Ann-Kathrin Adam, die berührend diesen Tanz in seelische Abgründe verkörperte.

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