Sinfonisches Konzert an einem ungewöhnlichen Ort Dirk Kaftan dirigiert im Basecamp

Bonn · Das Beethoven Orchester startet auf dem beliebten Bonner Indoor-Campingplatz eine Reihe mit neuer Musik.

 Dirk Kaftan und das Beethoven Orchester erkunden ungewohntes Terrain.

Dirk Kaftan und das Beethoven Orchester erkunden ungewohntes Terrain.

Foto: Felix von Hagen

Die neue, die zeitgenössische Musik, wird gern an ungewöhnlichen Orten präsentiert: von Tropfsteinhöhle bis ausgedientem Wasserspeicher, von Clublounge bis verlassene Industriehalle. Musik von heute an Locations von heute, lautet das Motto. Einen der wohl spleenigsten Konzertorte hat sich das Beethoven Orchester für seine Neue-Musik-Reihe ausgesucht: das „Basecamp“ in Dottendorf, ein ziemlich ausgeflipptes Hostel, das als Kulisse für einen Fellini-Film dienen könnte. Es gibt Wohnwagen mit Namen wie „Jägerhütte“ oder „Drag Queen“, amerikanische, silberfarbene „Airstreams“, einen kompletten ausgedienten Schlafwagen der Deutschen Bundesbahn, einen umgebauten Trabi, zwei Campingbullis und weitere schräge Übernachtungsmöglichkeiten.

Dies alles befindet sich in einer ehemaligen, riesigen Lagerhalle, die nun als Indoor-Campingplatz dient, inklusive kleinen Gärtchen mit Campingstühlen und Jägerzaun. Eine wunderliche Retro-Idylle, in der Bonns Generalmusikdirektor Dirk Kaftan mehrfach nächtigte, „als ich noch keine feste Bleibe hatte“, wie er erzählte. Daraus entstand die Idee, im „Basecamp“ neue Musik aufzuführen – eine Idee, die bei der Premiere mehr als nur eine kleine Zahl von Insidern anzog. Die erlebten das BOB an drei Spielplätzen.

Faszinierende Klangerlebnisse

Carola Bauckholts „Zugvögel“, gespielt von fünf Solisten, erklang von der Galerie, auf der üblicherweise die Hostel-Gäste ihr Frühstücksbuffet genießen. Nun ließ das Quintett (Oboe, Klarinette, Altsaxofon, Bassklarinette, Fagott von hier imaginäre Vögelschwärme fliegen. Die Spieler sollen Vogelrufe möglichst genau imitieren. Als Vorlage dient eine CD mit Originalaufnahmen von Schwan, Birkhuhn, Chukarhuhn, Falke, Eistaucher und anderen. Ziel der Komposition ist allerdings der Umschlag des bloßen Nachahmens in faszinierende Klangerlebnisse: schillernde, oszillierende Klangflächen, aus denen sich vereinzelte, verlorene Rufe oder Schreie erheben. Zweites Stück, diesmal in der Mitte des Saales gespielt: Kaja Saariahos „Nymphéa reflections“ für Streicher, eine Art Klangmeditation zum Thema „Seerosen“, aber auch eine „Sehnsucht nach dem Unendlichen“, wie es die Komponistin einmal formulierte. In sechs „Klangbildern“ umkreist sie diese Idee, mit dichten, vibrierenden Klängen, die auf einer mikrointervallischen Harmonik beruhen, mit expressiven Klangballungen oder minimalistisch pulsierenden Tonteppichen. Die Streicher des Beethoven Orchesters unter Leitung von Dirk Kaftan gaben dieser Musik packende Intensität.

Drittes Stück, gespielt vor der Rückwand: „No Night no Land no Sky“ für Kammerorchester von Miroslav Srnka (der auch Kurator und, zusammen mit Kaftan, Moderator des Abends war). Es handelt sich um eine Art Vorstudie zu Srnkas erfolgreicher Oper „Southpole“. Srnkas Musik ist plastisch, gestaltenreich und sehr orchestral gedacht, eine Art moderne sinfonische Dichtung über die totale Einsamkeit, die die Polarforscher Scott und Amundsen am Südpol gequält haben muss und die in einem eisigen, extrem hohen Streichertremolo am Schluss sehr direkt Gestalt annimmt. Die Zuhörer im Bonner Basecamp waren begeistert.

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