Gisela Pflugradt-Marteau Die Chefin des Euro Theater Central wird 70

VON E · Am Montag feiert die Direktorin des Euro Theater Central ihren 70. Geburtstag. Gisela Pflugradt kam 1945 im schwäbischen Krumbach zur Welt, wuchs in Berlin auf und entdeckte als Ballettschülerin ihre Leidenschaft für den Tanz.

 Frau Direktorin: Gisela Pflugradt-Marteau steht für europäische Theaterkultur.

Frau Direktorin: Gisela Pflugradt-Marteau steht für europäische Theaterkultur.

Foto: ETC

Mit gerade mal 15 Jahren bestand sie ihr Examen als Bühnentänzerin. 1963 wurde sie Mitglied des Bonner Ballett-Ensembles, war hier bis 1981 als Solistin fest engagiert und wechselte dann in die Direktion der Tanzcompagnie am Bonner Opernhaus.

"Unsere erste Tanzproduktion im neuen Haus am Boeselagerhof vor 50 Jahren war die Uraufführung von Lothar Höfgens Choreografie zu Pendereckis ?Polymorphia?", erinnert sie sich. "Für die großen klassischen Handlungsballette war unsere Truppe zu klein. Mich interessierten zeitgenössische Tanzformen aber sowieso viel mehr. Ich wollte mit meiner Kunst den Menschen etwas Neues sagen."

Deshalb zog es die zierliche junge Ballerina immer mehr zum Schauspiel. 1969 gründete sie mit ihrem späteren Mann Claus Marteau das "Theater Central". Der Begriff "Freie Szene" war noch gar nicht erfunden, als das neue junge Ensemble sich nach Aufführungen im Kaufhof, in Kneipen und Buchhandlungen 1972 in seinen heutigen Räumen am Mauspfad etablierte. Es ging den Gründern um ein Theater der kleinen Form mit engem Kontakt zum Publikum. Offenheit und Toleranz waren wichtige Anliegen. 1978 gründete Marteau die Arbeitsgemeinschaft freier unabhängiger Theater in Europa, holte Gastspiele aus diversen Ländern nach Bonn und zeigte eigene Produktionen bei europäischen Festivals. Prominente Schauspieler traten in dem kleinen Ein-Raum-Theater mit seinen knapp 50 Plätzen auf: unvergesslich Will Quadflieg als Hölderlin-Rezitator.

Dank des weltbürgerlichen Engagements von Marteau und des unermüdlichen Einsatzes von Gisela Pflugradt wurde das Euro Theater Central bald zum internationalen Treffpunkt. Seit Marteaus Tod 1995 führt Pflugradt das Haus als Intendantin, Geschäftsführerin und Regisseurin allein. Ungefähr 300 Stücke von Klassikern bis zu Uraufführungen wurden hier mittlerweile produziert, darunter Dauerbrenner wie "Der Kontrabass" und Sartres "Geschlossene Gesellschaft", die kürzlich ihre 1000. Vorstellung erlebte. Letztere steht ebenso wie Molières "Eingebildeter Kranker" auch in der französischen Originalsprache auf dem Spielplan. Häufig müssen Sondervorstellungen für Schulklassen eingeschoben werden, und Studierende der nahe gelegenen Universität Bonn frequentieren das intime Theater mit seiner flexiblen Bühne besonders gern.

Die internationale Ausrichtung ist geblieben, Regisseure und andere Künstler aus verschiedenen Ländern sind hier regelmäßig tätig, junge Talente gehen an den Start. Gastspiele wie aktuell höchst erfolgreich "Die Waffen nieder!" zum 100. Geburtstag von Bertha von Suttner bereichern das Programm. Pflugradt inszenierte in Rumänien und tourte mit ihrem Euro Theater Central von Ungarn bis Moldawien. Sogar mehrfach nach Lahore, wo sie ihren jetzigen Ehemann, den pakistanischen Puppenspieler Shoaib Ur-Rehmann, kennenlernte. 2003 wurde sie von der Kulturministerin der Ukraine mit der ?Goldenen Fortuna" für besondere Leistungen in Kultur, Wissenschaft und Politik ausgezeichnet.

Mit ihrem Theater möchte Gisela Pflugradt-Marteau "unbedingt den Menschen etwas geben, das sie bewegt und über Veränderungen nachdenken lässt". Seit mehr als 45 Jahren arbeitet sie daran und hat auch in schwierigen Zeiten immer wieder Unterstützung erfahren. Nur ganz wenige Privattheater dieser Größe haben so lange überlebt. Selbst wenn der Bonner Stadtrat ab 2019 zum 50. Jubiläum die institutionelle Förderung des Euro Theater Central beenden will - kreative Köpfe wie Gisela Pflugradt-Marteau und ihr kleines Team geben die Hoffnung nicht auf.

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