Bestsellerautor Bernhard Schlink zu Gast im Haus der Geschichte Der Vorleser, die Frau und die Treppe

Ja, er ist ein guter Vorleser. Sogar ein sehr guter. Bedächtig im Duktus, präzise in der Stimmung, wahrhaftig in den Dialogen. Bernhard Schlink sitzt auf dem Podium im ausverkauften Saal des Hauses der Geschichte, er hält seinen aktuellen Roman "Die Frau auf der Treppe" ohne Schutzumschlag aufgeklappt in seinen Händen.

 Bücher als Stationen des Lebens: Bernhard Schlink im Bonner Haus der Geschichte.

Bücher als Stationen des Lebens: Bernhard Schlink im Bonner Haus der Geschichte.

Foto: Horst Müller

Es muss am Charisma dieses Schriftstellers liegen - das große Publikum ist bemerkenswert ruhig, konzentriert und produziert so gut wie keinen Huster, heutzutage eine Rarität. Und Schlink? Der 70-Jährige erscheint genauso zurückhaltend, bescheiden, freundlich und unprätentiös wie sein Vorlesestil. Es ist wohltuend, ihm zu lauschen.

Der Bestsellerautor ist auf Einladung der Bürgerstiftung Rheinviertel ins Bonner Haus der Geschichte gekommen, um aus seinem im Vorjahr erschienenen Buch zu lesen, das mehrere Wochen lang den ersten Platz der "Spiegel"-Bestsellerliste behauptete. Inspiriert von Gerhard Richters berühmtem Gemälde "Ema (Akt auf einer Treppe)", hat Schlink seine Geschichte um eine faszinierende Frau namens Irene aufgezogen, deren Unternehmer-Gatten Gundlach, den Maler Karl Schwind (der markante Parallelen zu Richter aufweist) und den Ich-Erzähler, einen namenlosen Wirtschaftsanwalt.

Es handelt sich nicht um eine ménage à trois, sondern à quatre, denn die schöne Irene hat gleich alle drei Männer um den Finger gewickelt. Der Ich-Erzähler, dem die Verführerin eine gemeinsame Flucht mitsamt ihrem gemalten Porträt in Aussicht gestellt hat, beschreibt sie wie folgt: "Sie saß vor mir mit engem Top, engen Jeans, mit hellem Blick, dunklem Lachen, herausfordernd, gelassen, irritierend." Gute Kombination. Es spricht für Schlink, dass er den femme-fatale-Topos nicht überstrapaziert, sondern eine kluge und wohltemperierte Geschichte um verpasste Gelegenheiten, nicht gelebte Leben und das Erkennen einer zweiten Chance verfasst hat.

Für Bernhard Schlink ist diese Lesung in Bonn eine Art Rückkehr in sein erstes Leben als Jurist: Von 1982 bis 1991 lehrte er als Professor für Öffentliches Recht an der Bonner Uni, später ging er an die Berliner Humboldt-Universität. Seit 1993 ist er Gastprofessor in New York City. Nach seinen Kriminalromanen um den Privatdetektiv Selb gelang ihm 1995 der weltweite Durchbruch mit dem Bestseller "Der Vorleser", der in mehr als 50 Sprachen übersetzt und seinerzeit auch von Oprah Winfrey, der einflussreichsten Moderatorin des US-Fernsehens, wärmstens empfohlen wurde. 2008 wurde der Roman mit einem internationalen Starensemble verfilmt; Kate Winslet erhielt den Oscar als beste Hauptdarstellerin.

Im Haus der Geschichte wird Schlink gefragt, was für ihn sein wichtigstes Buch sei. "Ich habe mir noch nie überlegt, mein Leben in eine Wert- oder Rangordnung einzuteilen", sagt der Schriftsteller. "Ich betrachte meine Bücher als Stationen meines Lebens, und sie sind mir alle gleich wichtig." Auch seine juristischen Publikationen habe er mit "vollem Engagement" geschrieben: "Es gibt wunderschöne juristische Texte. Ich bin dankbar, dass beide Formen des Schreibens einen Platz in meinem Leben gefunden haben."

Bernhard Schlink: Die Frau auf der Treppe. Diogenes, 244 Seiten, 21,90 Euro.

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