Max Moor in Bonn Der Hass im Netz

Bonn · „Die Kunst des Pöbelns“: Max Moor befasst sich mit einer sehr aktuellen Diskussionsrunde in den Bonner Kammerspielen mit rassistischen Botschaften und dem „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“

 Engagierte Diskussion: Max Moor bei „Die Kunst des Pöbelns“ in den Kammerspielen.

Engagierte Diskussion: Max Moor bei „Die Kunst des Pöbelns“ in den Kammerspielen.

Foto: Benjamin Westhoff

Glück gehört auch dazu: Als der TV-Kulturplauderer („ttt“) Max Moor seine sechste Folge von „Max Moor & die Kunst des...“ vorbereitete und das Thema „Pöbeln im Netz“ setzte, konnte er nicht ahnen, wie aktuell der Donnerstagabend in den Kammerspielen werden sollte. Tags zuvor hatte Bundesjustizminister Heiko Maas seinen Entwurf für ein „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ durchs Kabinett gepeitscht. Am Donnerstag dann präsentierte Moor die passende Diskussion. Hinter dem Wortungetüm „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ steht der Versuch, rechtswidrige Inhalte in sozialen Netzwerken effektiver zu bekämpfen. Facebook und Co. müssen konkrete Fristen zur Löschung von illegalen Beiträgen einhalten. Bußgelder von bis zu 50 Millionen Euro drohen.

Der Gesetzentwurf stieß in der Internetgemeinde erwartungsgemäß auf schwere Widerstände. Aber auch Moors von der Bundeskunsthalle und dem Theater Bonn veranstaltete Runde reagierte skeptisch auf den Vorstoß, den laut Moor im Gegensatz zur Vorgängerinitiative zur „rhetorischen Option geschrumpften Entwurf“. Kaum geeignet, den „erschreckenden Sittenverfall im Internet“ zu beenden. Hasnain Kazim, der als Journalist von „Spiegel-Online“ auf einen Kommentar zur Flüchtlingsproblematik schon mal Tausende, mitunter hasserfüllte und beleidigende Kommentare, sogar Morddrohungen erntet, findet es gut, „dass jetzt etwas getan wird“. Und er berichtet von einer schwerfälligen deutschen Justiz, die Todesdrohungen gegen ihn nur sehr halbherzig behandelt habe.

Politischer Aktionismus vor der Wahl

Für Markus Beckedahl (Chefredakteur von netzpolitik.org) ist das Ganze politischer Aktionismus kurz vor der Bundestagswahl und der Versuch, zu verschleiern, dass lange Jahre in dieser Sache überhaupt nichts passiert sei. Beckedahl befürchtet „massive Auswirkungen für die Meinungsfreiheit“, sollten die Internetkonzerne nun zu „Hilfssheriffs“ des Bundes werden. Der Rechtsstaat mache es sich zu einfach. „Man hat das Problem zu lange nicht ernst genommen“, kritisiert auch Caja Thimm, Professorin für Medienwissenschaft an der Universität Bonn, die wie Beckedahl den Entwurf als „Symbolpolitik und Wahlkampfgetöse“ bewertet. Sie hält nichts davon, dass die Internetkonzerne selbst gegen Hasspostings vorgehen: „Billigarbeiter schuften für die Konzerne auf den Müllhalden des Internets.“ In mehreren Forschungsprojekten befasst sich Thimm mit dem Thema. „Anonymität ist nicht das größte Problem“, sagte sie. Laut einer Studie stünden 80 Prozent rechtsradikaler Postings mit Klarnamen im Netz. Eine weitere Studie belege, dass es eine enge Korrelation zwischen Hassbotschaften und realer Gewaltanwendung gebe.

Was bringt Menschen dazu, online alle Hemmungen, jeglichen Anstand, jegliche Fairness und Menschenachtung zu verlieren? Was macht User von sozialen Medien zu Pöblern voller Hass? Man brauche eine Debatte darüber, war der Tenor der Runde, eine Art Menschenrechtscharta, die auch fürs Netz gelte. „Counterspeech“, die beherzte Gegenrede, hält Thimm für ein probates Mittel gegen Hass-botschaften. Kazim hat mit ebenfalls durch rassistische Kommentare bedrohten Kollegen eine andere Option gewählt: Während einer „Hate Poetry“, einer öffentlichen antirassistischen Lesung, tragen die Journalisten Kommentare gegen sie vor. Kazim gab in den Kammerspielen Kostproben – wie er als „Kackmuslim“, „kein hochwertiger Deutscher“, ein Muslim, der „Unheil über die Welt“ bringe, beschimpft wurde.

Kazim hat sich gewehrt, hat etwa dem ganz üblen Pöbler Karlheinz S. mehrfach geantwortet. Es ging hoch her – das Publikum in den Kammerspielen lachte und johlte (wohl wissend, dass das gar nicht lustig war). Der Widerstand gegen den Hass sei anstrengend, sagte Kazim. Er habe oft Angst. „Und am Ende bist du allein.“

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