Interview mit Birgit Meyer "Das ist die Chance für einen Neuanfang"

köln · Kölns künftige Opernintendantin Birgit Meyer über ihre neue und schwierige Aufgabe. Birgit Meyer (51) wurde soeben zur neuen Intendantin der Kölner Oper gewählt. Am 1. September tritt die bisherige Operndirektorin ihr Amt an.

 Sie hat viel zu tun: Kölns neue Opernintendantin Birgit Meyer.

Sie hat viel zu tun: Kölns neue Opernintendantin Birgit Meyer.

Foto: Peter Gauger

Herzlichen Glückwunsch zur Wahl. Ist es nicht trotzdem ein großer Wermutstropfen, dass CDU und FDP gegen Ihren Vertrag gestimmt haben und wegen formaler Fehler Beschwerde bei der Bezirksregierung einlegen wollen?
Birgit Meyer: Also ich nehme den Beschluss dankend zur Kenntnis und bedanke mich auch für das Vertrauen der Stadt.

Befürchten Sie, dass Ihr Vertrag durch den Einspruch womöglich revidiert wird?
Meyer: Dazu kann ich gar nichts sagen, damit beschäftige ich mich auch im Moment nicht.

Ihr Vertrag läuft drei Jahre bis zum Ende des Interims. Haben Sie das Gefühl, womöglich nur Lückenbüßerin zu sein, bis der glamouröse Wiedereröffnungs-Intendant kommt?
Meyer: Nein, ich bin ganz in der momentanen Situation und blicke positiv in die Zukunft, um das Beste für die Oper
zu erreichen. Es gibt Dinge, die schnell erledigt werden müssen, die während der kulturpolitischen Auseinandersetzungen liegen geblieben sind...

Welche?
Meyer: Nun, uns fehlt etwa noch eine Probebühne. Wir brauchen eine Mikroport-Verstärkung für "My Fair Lady" im Musical Dome. Außerdem muss ich mich schnell mit dem Spielplan 13/14 und 14/15 beschäftigen, denn da sind uns in den letzten Monaten wegen der unklaren Situation ja auch Künstler abgesprungen.

Zudem müssen die ursprünglich für Laufenberg geplanten Inszenierungen für 2012/13 neu vergeben werden. "Figaros Hochzeit" soll Benjamin Schad machen?

Meyer: Wir sind im Gespräch, die Ergebnisse möchte ich am 31. August verkünden.

Nun haben sich viele Kulturpolitiker um Ihren Vertrag, Ihr Budget gesorgt. Drohen uns da ab 13/14 ganz magere Spielzeiten mit nur drei oder vier Premieren?
Meyer: Das ist verfrüht, denn im Moment muss die ganze finanzielle Lage noch einmal sehr genau analysiert werden. Klar ist: Das Budget ist nicht üppig. Also muss über Sparmöglichkeiten nachgedacht werden, indem man versucht, die Produktionen an die Kapazitäten anzupassen.

Inwiefern?
Meyer: Indem man möglichst ohne Fremdvergaben auskommt, Dinge nicht außer Haus gibt. Man sollte auch Doppelvorstellungen in den beiden Spielstätten vermeiden und die Ressourcen, die man hat, optimal nutzen. Man muss Schritt für Schritt sehen, was möglich ist, und ich möchte darüber im Gespräch mit der Politik bleiben. Die ernste Situation ändert sich ja nicht prinzipiell dadurch, dass ich bestellt bin.

Vielleicht löst der Führungswechsel aber eine Blockade, denn wegen der verhärteten Fronten konnte Laufenberg zuletzt selbst berechtige Anliegen nicht mehr durchsetzen. Hoffen Sie angesichts der Defizite auf eine Art Gnadenakt der Politik?
Meyer: Tatsächlich waren die Gespräche zwischen Politik und Opernleitung zuletzt in einer Sackgasse. Und ich sehe die neue Konstellation als Chance für einen Neuanfang, für einen guten Dialog.

Als Sparmodell sind auch Fusionen im Gespräch. Da die Rheinoper mit Düsseldorf/Duisburg fortgesetzt wird, bliebe zur Zeit nur Bonn. Wie stehen Sie dazu?
Meyer: Das sehe ich momentan nicht, da dort gerade ein neuer Generalintendant bestellt worden ist.

Betreffen Ihre Sparmaßnahmen auch die bekannten Sänger?
Meyer: Nicht zwangsläufig, denn erstens haben berühmte Sänger hier oft für weniger Geld gesungen als etwa bei den Salzburger Festspielen, außerdem wird die hohe Abendgage im vollen Haus meist eingespielt.

Wie gut ist Ihr Telefonbuch für Regisseure, Sänger und so weiter?
Meyer: Das ist sehr gut, weil ich auf 20 Jahre Berufserfahrung zurückblicken kann, ausschließlich in der Oper. Ich habe weit über 100 Produktionen betreut, sechs Jahre für die Salzburger Festspiele gearbeitet. Und da ich auch noch einen Lehrauftrag in Wien habe und dort die Regiestudenten unterrichte, bin ich auch am Nachwuchs dran.

Ihr Vorgänger war ein inszenierender Intendant. Sie sind das bisher nicht. Bleibt es dabei?
Meyer: Ja. Es gibt ja viele Intendanten an großen Häusern, die nicht inszenieren: in Frankfurt, an der Wiener Staatsoper, der Semperoper, in München... Und es ist ja ein großer Job, ein Haus gut zu führen.

Ist es für Sie in Ordnung, dass Ihr bisheriger Job wegfällt?
Meyer: Ich bin momentan Chefdramaturgin, Operndirektorin und kommissarische Intendantin für Herrn Laufenberg. Die Dramaturgie gebe ich ab September auf jeden Fall ab, das andere wird sich finden.

Sie werden Nachfolgerin eines künstlerisch sehr erfolgreichen Intendanten. Schreckt Sie das auch ein wenig?
Meyer: Wir haben unter der Leitung von Herrn Laufenberg drei Jahre lang sehr erfolgreiches Theater gemacht, und ich hoffe sehr, dass ich mit dem ganzen Team an die Erfolge anknüpfen kann. Es ist keine leichte Ausgangslage, aber auch die Chance, noch einmal von vorn anzufangen.

Sie waren Laufenbergs Stellvertreterin. Haben Sie seine Amtsführung anerkennend oder zähneknirschend wahrgenommen?
Meyer: Ich kenne ihn 40 Jahre lang, da nimmt man vieles selbstverständlich. Ich habe ihn etwa als Opernregisseur nach Innsbruck und später nach Wien geholt, wir haben uns immer gegenseitig unterstützt.

Laufenberg hat sich beklagt, Sie hätten ihn nach seiner Entlassung nicht angerufen. Herrscht eigentlich jetzt Eiszeit zwischen Ihnen?
Meyer: Dazu möchte ich mich nicht äußern, das ist eine persönliche Sache.

Sie sind promovierte Medizinerin und haben zunächst als Ärztin gearbeitet. Gibt es Fähigkeiten aus diesem Beruf, die Ihnen jetzt noch von Nutzen sind?
Meyer: Ja. als Medizinerin lernt man, Prioritäten zu setzen. Man weiß, was drängt, was noch einen Moment liegen bleiben kann. Das hat mir auch bei meinem Start im Theater in Innsbruck geholfen.

Und Sie können schwierige Zusammenhänge sehr gut erklären...
Meyer: Das war ein Anspruch gegenüber meinen Patienten: komplexe medizinische Sachverhalte verständlich zu machen.

Sie haben dann noch Theaterwissenschaft studiert. Was hat Sie zum Theater geführt?
Meyer: Meine Leidenschaft. Die treibt mich noch heute. Und wenn die Lage hier augenblicklich schwierig ist: Damals war es für mich mit zwei kleinen Kindern und kleinem Gehalt beim Wechsel von der Medizin zum Theater auch nicht leicht, und es hat geklappt.

Sind Sie eine strenge Chefin?
Meyer: Bitte fragen Sie das meine Mitarbeiter in einem Jahr!

Was wünschen Sie sich für die Kölner Arbeit?
Meyer: Ich möchte, dass die Kunst wieder in den Vordergrund rückt, auch in den Zeitungen: die Geschichten auf der Bühne, die Künstler wie jetzt Olivier Py als Regisseur unserer Eröffnungspremiere, die Vermittlungsarbeit. Wir arbeiten ja nicht für eine kleine Elite, sondern für die ganze Stadt.

Wo soll die Kölner Oper in drei Jahren stehen?
Meyer: Ich hoffe, dass das Publikum dann mit derselben Begeisterung die Vorstellungen besucht wie jetzt, dass wir unsere Auslastung und die hohe Qualität halten können. Dafür werde ich gemeinsam mit dem ganzen Haus hart arbeiten.

Zur Person

Birgit Meyer, Jahrgang 1960, ist gebürtige Kölnerin. Die promovierte Humanmedizinerin ist auch studierte Theaterwissenschaftlerin. Nach verschiedenen Tätigkeiten im Theater und im ärztlichen Bereich arbeitete sie ab 1992 als Dramaturgin am Tiroler Landestheater Innsbruck, zuletzt als Leitende Dramaturgin des Musiktheaters. Während der Sommer 1997 bis 2001 war sie für die Salzburger Festspiele tätig. Es folgten verschiedene Tätigkeiten in Wien. Seit der Spielzeit 2009/10 war die neu gewählte Opernintendantin Operndirektorin der Oper Köln.

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