Bonner Palais Schaumburg Das Haus der Geschichte bringt ein sehr informatives Buch heraus

BONN · Als eine "heitere Mischung von Biedermeier und viktorianischen Elementen, etwas bizarr, liebenswürdig wie so vieles, das nicht stilrein ist", beschrieb der Redenschreiber Willy Brandts, Klaus Harpprecht, unübertroffen das Bonner Palais Schaumburg. Und schickte nach: "Eine glückliche Wahl des Alten."

 Die Pracht am Rhein: Palais Schaumburg.

Die Pracht am Rhein: Palais Schaumburg.

Foto: Kliemann

Adenauers Beharrungsvermögen und seiner Fantasie ist es zu verdanken, dass aus dem heruntergekommenen Adelspalais am Rheinufer die Schaltzentrale für die junge Republik wurde. Adenauer setzte sich intensiv für alle Details seines Kanzleramtes im Palais ein. Bis 1976 arbeiteten hier alle Kanzler der Bundesrepublik, seit 2001 ist das Palais Bonner Dienstsitz des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin.

Die Zeit, dieses Gebäude breit zu würdigen, ist reif, zumal es ab August für rund zweieinhalb Jahre schließt. Der Bund saniert das Palais Schaumburg für 6,5 Millionen Euro. Bundeskulturminister Bernd Neumann und Hans Walter Hütter, Präsident der Stiftung Haus der Geschichte, stellten gestern Judith Koppetschs ausgezeichnetes Buch "Palais Schaumburg. Von der Villa zum Kanzlersitz" vor.

Für die ersten Aktivitäten am Rheinufer zeichnete ein Aachener Textilfabrikant verantwortlich: Aloys Knops legte Mitte des 19. Jahrhunderts den Grundstein für das heutige Palais Schaumburg. Er kaufte Grundstücke mit Siebengebirgsblick, begann ein Wohnhaus zu bauen, verkaufte das Areal aber bereits 1860 an den weit gereisten Thüringer Textilkaufmann und Millionär Wilhelm Loeschigk, der das Haus zu einer prächtigen Villa umbaute.

Loeschigk starb 1887, seine Tochter vermietete das prächtige Anwesen an den Prinzen zu Adolf Schaumburg-Lippe, der mit Prinzessin Viktoria von Preußen verheiratet war und im Bonner Husarenregiment diente. "Als das prinzliche Paar die Villa Loeschigk erreichte und dort eingetreten war, pilgerten noch Tausende von Menschen hinterher zu einem Spaziergange, und man war ordentlich froh, einmal wieder Menschen und Leben auf der Coblenzer Straße zu sehen, nachdem dieselbe durch das Leerstehen der Villas nun seit Jahren unheimlich still und einsam geworden ist", berichtete der Bonner General-Anzeiger 1891.

Der Prinz kaufte das Anwesen, ließ es vom Berliner Hofarchitekten Ernst von Ihne, einem Vertreter des "Wilhelminischen Barock", erweitern. Die Fachpresse kritisierte die "konventionelle Verwertung fleißig studierter geschichtlicher Formen". Terrasse, Loggia und Balkon prägen noch heute das Außenbild des Palais. Bis zum Einzug von Bundeskanzler Konrad Adenauer Ende 1949, der hier nur arbeitete, erlebte das prächtige Palais einen herben Niedergang. Es wurde Soldatenquartier, im Krieg dann Lazarett - schließlich Kanzlerresidenz.

Das Buch dokumentiert neben Momenten großer Politik den der Vorlieben der Repräsentanten geschuldeten wechselnden Einrichtungsstil. Außerdem Maßnahmen wie die Anlage einer Boccia-Bahn für Adenauer im Park, unter Ludwig Ehrhard dann die Planungen für neue Wohn- und Empfangsräume, den sogenannten Kanzlerbungalow von Sep Ruf.

Willy Brandt schaffte die Smoking-Pflicht im Palais ab und installierte Bürgerfeste, ansonsten galt der Sozialdemokrat in Einrichtungsdingen als konservativ. Das änderte sich 1974 mit Helmut Schmidt, der das Herzstück des Palais vom "stilvollen Arbeitsmuseum" (Die Zeit) in eine moderne Schaltzentrale verwandelte. Adenauer hatte an der Wand Niederländer bevorzugt, Brandt hängte sich einen Tintoretto ins Büro, mit Schmidt zog das 20. Jahrhundert in Gestakt von Chagall und Nolde ein. Natürlich ging's bei dem Hanseaten nicht ohne das traditionelle Buddelschiff in der sogenannten Kitschecke.

Judith Koppetsch: Palais Schaumburg. Von der Villa zum Kanzlersitz. 88 S., 9,90 Euro

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