Explosive Mutationen in der Harmonie Crossroads-Festival mit The Sonic in Bonn

Bonn · Die zweite Hälfte des Crossroads-Festivals in der Harmonie bietet einige Überraschungen. Die alten Hasen von The Sonic haben es immer noch drauf.

 Dustin Watson von The Sonics beim Crossroads-Festival.

Dustin Watson von The Sonics beim Crossroads-Festival.

Foto: Thomas Kölsch

Nichts ist unmöglich: Mit diesen Worten hat die Band Blackberry Smoke auf die beengten Verhältnisse in der Harmonie reagiert und damit den WDR-Rockpalast-Machern mehr als nur eine Last von den Schultern genommen. Immerhin spielen die Cowboy-Rocker aus Georgia in der Regel in Hallen, die für 2000 Leute ausgelegt sind, und kündigten sich im Vorfeld auch mit entsprechendem Equipment an, was die Kapazität des Endenicher Clubs schlichtweg gesprengt hätte.

Umso erfreulicher ist es, dass Blackberry Smoke für das 250. Crossroads-Konzert problemlos abspecken können, rund zwei Drittel ihrer sonstigen Bühnenausstattung im Lkw belassen und letztlich trotzdem alles für einen hervorragenden Auftritt parat haben. Ihre Mischung aus mitunter an der Grenze zum Kitsch mäanderndem Country und druckvollem Southern Rock sorgt in der ausverkauften Harmonie mehr als einmal für ein herzhaftes, kollektives „Yippie“, auch wenn die Menge dicht an dicht stehen muss.

Egal, die Musik ist es wert: abwechslungsreich, vielseitig und so arrangiert, dass jeder Musiker zu seinem Recht kommt, selbst die beiden Turner-Brüder an Bass und Schlagzeug, die ebenso stoisch wie cool einen fantastisch abgeklärten Groove schaffen, über dem sich Frontmann Charlie Starr und sein Gitarrenkollege Paul Jackson austoben können.

Band stammt aus Rostock

Davon hätte sich das im Vorfeld spielende Trio Child ruhig mal eine Scheibe abschneiden können. Die Band verharrt aber leider in einem kraftvollen, letztlich monotonen Bluesrock, in dem sich alles um den Sänger und Saitenvirtuosen Mathias Northway dreht. Zugegeben, technisch können die Australier sich das leisten. Aber wenn jemand nach dem dritten Song den Saal verlässt und damit schon alles gehört hat, was Child ausmacht, läuft irgendetwas falsch. Das liegt nicht zuletzt an dem mit minimaler Bandbreite dargebotenen Gesang und überschaubaren Harmonieschemata, die wie eine Flut aus Belanglosigkeiten von der Bühne schwappen.

Weitaus vielseitiger und komplexer kommt Coogans Bluff daher. Die ursprünglich aus Rostock stammende Band setzt mit ihrem verschachtelten, mitunter experimentell klingenden Rock Maßstäbe und gilt für viele Gäste als die Überraschung der aktuellen Crossroads-Ausgabe. Ihr Sound wabert irgendwo im Spannungsfeld zwischen Post-Rock, Stoner Rock, Psychedelic Rock und Fusion, verweist mitunter auf Frank Zappa, aber auch auf King Crimson, UFO, Can und ganz gezielt auf Captain Beefheart, dem die Band sogar ein komplettes Stück gewidmet hat.

Dabei begutachten die Herren um Bassist und Sänger Clemens Marasus jedes Motiv und jedes Thema von allen Seiten, jagen es bis in die Unendlichkeit und wieder zurück, mal mit nur unmerklichen Variationen und dann wieder als Ausgangspunkt für explosive Mutationen. Das rohe, wuchtige und doch stets melodische Spiel von Marasus sowie das druckvolle Schlagzeug von Charlie Paschen dienen dabei als Treibstoff, während Gitarre, Saxofon und Posaune (Letztere im Rock eine Seltenheit) die Akzente setzen.

Während sich Coogans Bluff vor den großen Bands der 1970er Jahre verbeugen, kommt mit The Sonics eine Formation nach Bonn, die in jener Ära schon eine Dekade zusammen war und Pionierarbeit in Sachen Garage Rock geleistet hat und mitunter gar Elemente des Punk vorwegnahm.

Von der Originalbesetzung ist allerdings nur noch Saxofonist Rob Lind übrig, auch wenn ein Blick auf die Band zunächst anderes vermuten lässt. Die Musiker harmonieren dennoch hervorragend miteinander, hauen sich gegenseitig die kompromisslosen Phrasen um die Ohren und wechseln sich beim Gesang regelmäßig – also etwa alle zweieinhalb Minuten – ab. Was Prägnanz und Gradlinigkeit angeht, können die alten Hasen den Jungspunden durchaus noch etwas beibringen. Auch das macht Crossroads und Rockpalast aus. Und das ist gut so.

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