Kulturkonferenz in Bonn Breite Front der Institutionen gegen die Sparvorschläge

BONN · Die Rechnung von Stadtkämmerer Ludger Sander und Kulturdezernent Martin Schumacher, die gestern Abend zur Kulturkonferenz ins Stadthaus eingeladen hatten, ist nicht aufgegangen.

 Viele Köpfe und das Ringen um die Kultur: Spielszene aus den "Königsdramen", einer aktuellen Produktion des Theaters Bonn.

Viele Köpfe und das Ringen um die Kultur: Spielszene aus den "Königsdramen", einer aktuellen Produktion des Theaters Bonn.

Foto: THilo Beu

Das, was die vier Arbeitsgruppen Darstellende Kunst, Musik, Bildende Kunst/Museen und Bibliotheken/Literatur von ihren Runden Tischen zurückbrachten, waren keine Sparlisten für den städtischen Haushalt und auch keine modifizierten Streich-Agenden für den Entwurf des Haushaltssicherungskonzeptes, sondern ein einhelliges, klares und kategorisches Nein zu weiteren Finanzkürzungen.

Das war eigentlich erwartbar. Alles andere wäre angesichts der drohenden empfindlichen Einschnitte eine Überraschung gewesen. Nur Sander, Schumacher und der Kulturausschuss-Vorsitzende Helmut Redeker schienen verblüfft, ja enttäuscht.

Zu den Überraschungen dieses Abends zählte, dass das vor Jahren von Schumacher mit dem Ziel eines Kulturkonzepts mit großem Aufwand inszenierte Verfahren der Runden Tische - das die Vielfalt der kulturellen Landschaft Bonns dokumentieren sollte - nun dazu umfunktioniert wurde, den Kulturabbau zu kanalisieren.

Die Kernpunkte des Kürzungs-Entwurfs: Massiver Abbau im Theater, zusätzlich zum gegenwärtigen Sparbeitrag ab 2022 noch einmal acht Millionen Euro; Reduktion der Orchesterstärke; Einstellung von Kammermusikreihen; das Förder-Aus für Frauenmuseum, Deutsches Museum, Kleines Theater, Euro Theater Central; Schließung von vier Stadtteilbibliotheken und Einstellung des Dorothea-von-Stetten-Kunstpreises. In den vier Arbeitsgruppen war viel Frustration, Empörung und Wut zu spüren, drei der vier Runden Tische reagierten mit einer klaren Ansage: "Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen."

Ganz deutlich sprach das Generalmusikdirektor (GMD) Stefan Blunier aus: "Es soll eine Art Kannibalismus entstehen." Die Einsparungen an Orchester und Theater seien der "Anfang eines Niedergangs". "Wenn sich eine Stadt Beethoven 2020 an die Brust heftet, geht das nicht", schimpfte der GMD. Die Kammermusikreihe müsse eingestellt werden, "um nicht mehr Orchesterstellen zu gefährden, deshalb mussten wir externe Kräfte opfern". Blunier packte seine ganze Wut in einen Vergleich: "Die Haltestelle hier vor dem Stadthaus kostet das doppelte von dem, was wir in fünf Jahren sparen müssen."

Malte Boecker, Chef des Beethoven-Hauses, fragte: "Wollen wir in Bonn eine Beethovenstadt sein?" Er mahnte ein Konzept an, in dem vorhandene Strukturen in ein Verhältnis zum geplanten Festspielhaus gesetzt werden. Holger Jan Schmidt, der Sprecher für Rock und Pop, eine ohnehin in Bonn stark vernachlässigte Sparte, brachte seine Enttäuschung über das folgenlose Kulturkonzept Schumachers zur Sprache: "2020 wird uns das Ganze um die Ohren fliegen."

Klare Fronten auch beim Theater, wo Theaterintendant Bernhard Helmich und Frank Heuel vom Fringe Theater sagten, dass das Sparziel im Theater Bonn nur durch Schließung einer Sparte zu schaffen sei und Bonn ein "übergreifendes Ziel" brauche. "Zu einer Kulturlandschaft gehören große und kleine Institutionen", sagte Heuel, "wir dürfen uns da nicht auseinanderdividieren lassen".

Eine Haltung, die auch beim Runden Tisch der Museen spürbar war, wo Klara Drenker-Nagels, Direktorin des Macke Hauses, und Kunstmuseumsintendant Stephan Berg vehement eine Lanze für Deutsches Museum und Frauenmuseum brachen. "Es muss intelligentere Lösungen geben", sagte Berg, der auch darauf hinwies, wie gering die Sparsumme im Vergleich zum städtischen Defizit sei und wie groß der Schaden sei, würden einzelne Institutionen zugrunde gehen.

Grabenkämpfe gab es nur in der Literaturrunde. Da brachten sich - mit überzeugenden Argumenten - die gefährdeten Stadtteilbibliotheken der Peripherie gegen Stadtbibliothek im Zentrum und das Haus der Bildung in Stellung. Die Vertreter der Ratsparteien liefen sich indes schon einmal warm für die Kulturauschuss-Debatte zum Thema Kürzung am kommenden Donnerstag. Konkrete Sparvorschläge hörte man auch von ihnen gestern Abend nicht.

Genauso vorhersehbar wie die geschlossene Ablehnung der Kürzungen kam dann kurz vor Schluss der Ordnungsruf der Verwaltung. Der Stadtkämmerer rechnete dem Plenum vor, das "wir immer noch eine Stadt mit hohem Standard sind", und das werde sich auch nach der Sparrunde nicht ändern.

"Ich brauche aus jedem Bereich Sparbeiträge, und seien sie noch so klein", sagte Sander, "sehen Sie es doch so: wenn der Sparbetrag klein ist, dann heißt das doch, dass der Bereich geschont wurde." Sander, der bekannte, er habe von den Kulturleuten mehr erwartet, sagte, dass es keine Alternative zum Sparen gebe. "Wenn wir's nicht selbst richten, richtet es der Regierungspräsident", mahnte Sander.

Schumacher hielt sich kurz: "Am Schluss muss die Einsparvorgabe erbracht werden." Redeker: "Und da müssen Sie uns helfen." Die Debatte steht wieder ganz am Anfang.

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