Bonner Villa Ingenohl wird in "Eine Höhle für Platon" verwandelt

Installationen, Denkräume, Filmprojektionen - Auf verschiedenen Ebenen setzen sich sieben Künstler mit Höhlengleichnis des Philosophen auseinander

  "In memory of..."  nennt Andreas M. Kaufmann seine Projektion von Wertbegriffen in einem dunklen Raum der Villa.

"In memory of..." nennt Andreas M. Kaufmann seine Projektion von Wertbegriffen in einem dunklen Raum der Villa.

Foto: Franz Fischer

Bonn. Was nehmen Menschen wirklich wahr, die von frühester Kindheit an gefesselt in einem Keller einzig die Schatten der Dinge sehen? Was passiert mit ihnen, wenn sie irgendwann mit der Realität außerhalb der Höhle konfrontiert werden?

Das Höhlengleichnis des antiken Philosophen Platon siedelt den gewöhnlichen Menschen in einem Alltag an, der einer Höhle gleicht. Der Mensch nimmt nur das Abbild des wahren Seienden wahr. Im Gleichnis geht es darum, das Denken nicht auf das sinnlich Erfassbare zu richten, sondern auf das, was hinter dieser Welt steht.

Was hat nun das alles mit der Bonner Rhein-Villa Ingenohl zu tun? Dort wird am Samstag das Projekt "Eine Höhle für Platon" der Montag Stiftung Bildende Kunst der Öffentlichkeit vorgestellt: Sieben Künstler wurden eingeladen, Platons Höhlengleichnis in der maroden, aber gleichwohl eindrucksvollen Gründerzeitvilla zu ventilieren, die in ihrer langen Karriere auch mal Kindertagesstätte des Auswärtigen Amtes war.

Wer einen staubtrockenen philosophischen Diskurs befürchtet, wird eines Besseren belehrt: Sehr sinnlich, auf unterschiedlichsten Ebenen, hintergründig und unterhaltsam zugleich begeben sich die Sieben (keine Künstlerin!) in die Höhle des Platon - wobei es weder zwingend noch zielführend ist, sich fortwährend zu fragen, was das Ganze mit Platon zu tun habe.

Der Frankfurter Vollrad Kutscher etwa setzt bei "Platons Kindern an", wie er das nennt: In den ehemaligen Waschräumen der Kindertagesstätte inszeniert er einen faszinierenden Denkraum rund um "Hannah und Martin, Max und Teddy", wo die Beziehungen von Hannah Arendt und Martin Heidegger sowie Max Horkheimer und Theodor Adorno zum Thema werden.

"Warum muss man Bleifiguren gießen? Die wachsen doch gar nicht." Diese Feststellung von Kutschers kleinem Bruder stand am Anfang einer Auseinandersetzung mit der Sprache und Missverständnissen aller Art.

Auf einer ganz anderen Ebene bewegen sich die raffiniert durch künstliche und natürliche Quellen oder Filmprojektion beleuchteten labyrinthischen Architekturmodelle von Jürgen Albrecht: Suggestive "Guckkästen", die vergessen lassen, dass sie nur simulierte Höhlen sind, die auf verzwickten Kanälen mit der Außenwelt kommunizieren.

Hochphilosophisch wird es im Keller der Villa. Da "beschäftigt sich eine Lampe mit sich selbst", wie Carsten Gliese das Stoboskop-Flackern beschreibt. Einen Raum weiter betritt man gleichsam Platons Höhle: Ein Kellerverlies mit kaum ergründlichen Reflexionen, Projektionen und Lichterscheinungen - "Platon's mirror" von Mischa Kuball. Innen- und Außenwelt verschmelzen in einer Installation, die Max Sudhues im Souterrain präsentiert.

20 angestrahlte Plastikgitterkisten lassen an der Wand ein weites urbanes Ensemble aufscheinen, sitzt der Strahler aber in der Kiste, bekommt die Projektion eine klaustrophobische Knast-Anmutung. Der Titel "Le ciel dans une chambre" (Der Himmel im Zimmer) stammt von einem Chanson von Carla Bruni.

Auch Andreas M. Kaufmann und Harald Fuchs sind gleichermaßen einfühlsam wie souverän mit dem Ort umgegangen: Kaufmann projiziert Begriffe aus dem Wertekanon - von Identität bis Amor - auf eine mit Leuchtfarben bemalte Wand, die Nachbilder der Worte erzeugen eine eigene, dem Raum vorgeblendete Architektur; Fuchs entführt den Besucher in ein faszinierendes Spiegelkabinett, eine Wunderkammer, die in ihrem Herzen eine mit Nägeln traktierte Voodoo-Figur beherbergt.

"Trotzige Mythen" hat Fuchs sein an Claude Lévi-Strauss angelehntes Ensemble genannt. Sieben Künstler haben die Villa Ingenohl verzaubert, einer sogar den Rhein: Der fließt in Max Sudhues' Film "Rhein Lot" auch mal in die falsche Richtung.

Villa Ingenohl, Raiffeisenstraße 5; bis 28. Juni. Eröffnung: 25. April, 16 Uhr. Do-Sa 15-20, So 11-20 Uhr.

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