Ausstellung im Künstlerforum Bonner Künstlerinnen-Gemeinschaft Gedok feiert 60. Geburtstag

Bonn · Da sitzen sie alle um einen Tisch, kaum erkennbare Wesen, Larven der Erinnerung. Was sie tun, was sie sprechen, wüsste man gerne. Oder sind sie nicht mehr ganz von dieser Welt? Ilsetraut Glock hat dieser herrlichen, teils ironischen, teils melancholischen Lithographie einen schönen Titel gegeben: "Das was ich in die Welt gesetzt - hockt da - und irritiert mich jetzt."

 Vorsitzende Clotilde Lafont-König neben einer Skulptur von Julitta Franke und vor Arbeiten von Linda Peacock (links) und Hilla Jablonsky.

Vorsitzende Clotilde Lafont-König neben einer Skulptur von Julitta Franke und vor Arbeiten von Linda Peacock (links) und Hilla Jablonsky.

Foto: Horst Müller

Glocks bizarres "Familientreffen" könnte als Mottobild für die Jubiläumsausstellung der Bonner Gedok (Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstförderer e.V.) dienen: Assoziationsreich und verklausuliert kommt hier vieles zusammen - eine Wundertüte.

Erstmals präsentieren sich die Künstlerinnen der vor 60 Jahren gegründeten Bonner Sektion der Gedok im Künstlerforum quer durch alle gewöhnlich penibel getrennten Sparten. Es ist ein munteres Crossover ohne Rücksicht auf Gattungsgrenzen und ohne Angst, Besucher durch das durchaus vorhandene Qualitätsgefälle zu vergraulen.

Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch eröffnet am Freitag die Schau. Werke der bildenden und angewandten Kunst, aus Literatur und Musik versammeln sich zu einem facetten- und abwechslungsreichen Überblick. Die Französin Clotilde Lafont-König, erste Vorsitzende des Vereins, hält nicht nur die bislang geübte Trennung - "so etwas kenne ich aus Frankreich nicht" - für obsolet, sie hat auch einen Weg gefunden, ihre 83 Künstlerinnen adäquat im Künstlerforum zu präsentieren: 60x60 war das geforderte Format der "Flachware".

Skulpturen, Reliefs und literarische Kostproben mussten sich dem Format annähern, nur die Musik ist frei von Begrenzungen. So treffen Fotografie und Malerei, Objektkunst und Skulptur, Papier und Schmuck aufeinander, dazwischen liest man Gedichte, kurze Prosatexte. Biografisch angeführt wird die Jubiläumsschau "Wir!" von Ilsetraud Glock (Jahrgang 1915) und Lisel Schubert (1921 geboren).

Sie zählen zu den Künstlerinnen der frühen Gedok-Jahre, Christiane Rücker, Katinka Dietz und Ursula Bruder gehören zu den jüngeren Künstlerinnen des 1952 gegründeten Vereins. Mit "gesägtem Papier" steuert Bruder eine Position bei, die zwischen Fragilität und kompakter Form, Zeichnung und Skulptur oszilliert. Unter den Keramikerinnen fallen Julitta Franke und Edle von Frantzius auf.

Etwas unterrepräsentiert erscheint die Fotografie etwa mit Lilo Werners eleganter Flamenco-Studie oder Cecilia Szabós surrealer Szene "Zwischenwelten", in der kostümierte Dämonen einem hochschwangeren Halbakt begegnen. Ein breites Spektrum bietet die Malerei, die von der wilden Geste Gitta Briegelbs und Barbara Krokes koloristisch subtilen Andeutungen bis hin zu einer Mischtechnik von Milena Kunz-Bijno, Carmen von Seckendorffs raffiniertem Körperausschnitt und Birgitta Büssows realistischem Kinderbildnis reicht.

Umfangreich sind auch die grafischen Abenteuer der Gedok-Künstlerinnen, angefangen von Sabine Neuhaus' signalhaft leuchtendem Siebdruck "Kroate". Feinste Linien verdichten sich in Cesa Wendts "Compression", bestechend auch die Wolke aus Ölkreide und Graphit auf hellgelbem Untergrund von Astrid Meiners-Heithausen.

Literarische Texte bilden willkommene Zäsuren im Bilderfluss der 60x60-Formate. Der wohl schönste Text ist eine konkrete Poesie in Gestalt eines Fragezeichens von Uta Oberkampf mit dem Titel "Filmriss": "Ich bin nicht der ich bin; War ich es je zu Anbeginn; Werd ich es sein..." Fragen an die Identität, die sich gut auch auf die Gedok erweitern lassen. Trägt dieses Konzept aus den 50ern noch, haben sich die Zeiten nicht geändert?

"Die Frage ist aktuell", meint Clotilde Lafont-König charmant. Und bleibt die konkrete Antwort schuldig. Ja, die Zeiten haben sich geändert, vieles sei besser geworden, sagt die Französin, "aber schauen Sie in die Kunstakademien, fast alle wichtigen Positionen sind noch immer von Männern besetzt".

Sie kennt viele Frauen, die erst richtig mit der Kunst beginnen, wenn die Kinder aus dem Gröbsten heraus sind. "Da müssen wir helfen, diese Künstlerinnen müssen wir unterstützen." Lafont-König kritisiert, dass Künstlerinnen im Kunstbetrieb, in Museen und Galerien noch immer nicht adäquat repräsentiert sind. Bei "Wir!" im Künstlerforum ist das anders, da sind die Damen unter sich.

60 Jahre Bonner Gedok - Das Jubiläumsprogramm

Die Gedok - Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstförderer e.V. - ist die größte und traditionsreichste interdisziplinäre Künstlerinnenorganisation Deutschlands. Sie wurde 1926 in Hamburg von der Mäzenin Ida Dehmel gegründet.

Die Gedok Bonn e.V. wurde am 8. Mai 1952 aus der Taufe gehoben. Beim Festakt in der Universität las die Dichterin Marie-Luise Kaschnitz aus ihren Werken. Vorsitzende des Vereins waren Ilse Prinzhorn und Maria Theresa Schumann-Adenauer. Die Gedok Bonn vertritt ehrenamtlich die Interessen von Künstlerinnen der Fachgruppen angewandte Kunst, bildende Kunst, Fotografie, Literatur und Musik. Die Ziele des Vereins sind berufliche Förderung, kulturpolitische Einflussnahme sowie Vernetzung.

Eröffnung: Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und die Vorsitzende der Bonner Gedok, Clotilde Lafont-König, werden heute, 18.30 Uhr, die Jubiläumsausstellung "Wir!" mit Werken von 83 Künstlerinnen im Künstlerforum, Hochstadenring 22, eröffnen.

Die Ausstellung endet am 9. September. Öffnungszeiten: Di-Fr 15-18, Sa 14-17, So 11-17 Uhr. Der Katalog kostet zehn Euro. Rahmenprogramm: Die Jubiläumsausstellung "Wir!" wird von einem umfangreichen Programm begleitet.

  • 18. August, 21 Uhr: Theatron ToKosmo präsentiert "YOLIanma/Istanbul" - Bild, Tanz und Ton mit Eva-Maria Kagermann, Thomas Kagermann und Katharina Otte-Varolgil.
  • 19. August, 17 Uhr: Johannes Prill liest Texte von Heinrich Heine.
  • 26. August, 15 Uhr: Führung mit Susanne Krell.17 Uhr: Benita Glage liest aus ihren Buch "Einsamkeit"; Musik von Christine Metzger und Ute Thöne.
  • 31. August, 16 Uhr: Mode & Literatur - Rosemarie Bühler liest aus "Und jag die Asche in den Wind".
  • 2. September, 11.30 Uhr: "Wir!"-Lesung der Gedok Bonn Literaturgruppe; Vera Junker spielt Cello.
  • 7. September, 16 Uhr: Uta Harst liest aus "Kentaurenträume, Anne Kordes-Pistorius spielt Querflöte.
  • 8. September, 16 Uhr: Ursula Contzens Gedichtlesung "Wolke wohin".
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