Im Telekom-Forum Beethoven Orchester Bonn begleitet singendes Publikum

Bonn · Rund 800 Besucher kamen zum Auftritt des Beethoven Orchesters Bonn im Telekom Forum - und sie waren nicht nur zum Zuhören da. Auf dem Programm stand Musik von Verdi, Händel, Mozart, Lehar, Puccini, später auch Hits und Evergreens

Dirigent Dirk Kaftan mit Beethoven Orchester und Publikumschor im Telekom-Forum.

Dirigent Dirk Kaftan mit Beethoven Orchester und Publikumschor im Telekom-Forum.

Foto: Barbara Frommann

Sopran, Alt, Tenor, Bass – fertig ist der Chor. Normalerweise. Doch an diesem Abend gibt es noch ein fünftes Register: „Freestyle“. Das sind Menschen, die nicht so richtig wissen, wer sie eigentlich sind – gesangstechnisch gesehen. „Die Freestyle-Sänger sind mir heute am liebsten“, ruft Dirk Kaftan ins sanft magentabeleuchtete Telekom-Forum hinein. Das Beethoven Orchester Bonn (BOB) hat gerufen und rund 800 Menschen sind gekommen.

„Treffen Sie, was sie treffen“, nimmt Kaftan den Freestylern die Angst vor falschen Tönen. In Händels „Hallelujah“ zum Beispiel. Oder in „Va, pensiero“, dem Gefangenenchor aus „Nabucco“. Diese unsterbliche Melodie füllt, gesungen aus vielen hundert Kehlen, den Raum machtvoll aus, auch schon in der Klavierprobe, dem ersten Teil des Konzerts „Grenzenlos“. Ein bisschen helfen die Mitglieder des Philharmonischen Chores, die „unerkannt“ im Publikum sitzen.

Auf dem Programm steht Musik von Verdi, Händel, Mozart, Lehar, Puccini, später auch Hits und Evergreens. „Vielstimmig“ lautet das Motto. Rappelvoll ist das Telekom-Forum, dicht gedrängt sitzen Menschen in den besten Jahren, aber auch junge Leute ebenso wie ganze Familien mit kleinen Kindern. Es wird ein Abend, der alle glücklich machen wird. Das liegt zum einen an der Lässigkeit, gepaart mit ironischer Strenge, mit der Generalmusikdirektor Dirk Kaftan die Musik einübt. Zum anderen am Humor von Moderator Eckart von Hirschhausen, dem alles Ätzende und Boshafte fernliegt, sondern der im Kern menschenfreundlich ist. Kein Wunder, der Mann ist von Haus aus Arzt. Singen ist für ihn Medizin und Therapie: „Musik, speziell Singen, stiftet Gemeinschaft und Sinn über Generationen hinweg!“ Und sie sorge für den „Gänsehauteffekt“ – oder für eine innige Mutter-Kind-Beziehung. Der zweite Satz aus Beethovens „Pathétique“ etwa wäre genau das richtige. Hirschhausens Klavierpartner, Christoph Reuter, spielt die Adagiomelodie. „Da hört man doch das Fruchtwasser plätschern“, schmunzelt Hirschhausen und sinniert fortan über die Rolle von Musik im Leben, beim Sex, bei der Hochzeit, bei der Beerdigung.

Nach der Pause sitzt das BOB auf der Bühne und präsentiert Wagner, die Ouvertüre zu den „Meistersingern“. Doch Beckmesser hat an diesem Abend Hausverbot. Stattdessen geht es munter weiter: mit Wagners „Steuermann, lass‘ die Wacht“, mit Papagenos Auftrittslied, in dem der ganze Saal mit Begeisterung des Vogelfängers Panflötenmotiv pfeift, oder mit Lehárs „Weibermarsch“.

Zwischendurch schließt Christoph Reuter mal eben die „Pathétique“ (erster Satz) mit „Lean On Me“ kurz – dank der „C-Kralle“, einem skurrilen Hilfsmittel für alle, die mal eben einen Akkord auf dem Klavier greifen wollen. Dann wird’s populär – mit Songs von Abba und einer echten Schwedin als Solistin – Dirk Kaftans Frau Victoria nämlich. Ein gelungener Coup.

Einen kleinen Seitenhieb auf die aktuelle Bonner Kulturdebatte kann sich Hirschhausen nicht verkneifen. Die Trennung von E- und U-Musik sei „so sinnlos“ wie die „zwischen Schwimmbädern und Opernhaus“.

Ausklang dann mit „Yesterday“ und der „Ode an die Freude“. Glückliche Gesichter, wohin man blickt.

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