Aus dem Raritätenkabinett der Bonner Republik

Ernst Jörg Kruttschnitt kramte in seinem Keller und fand Besonderheiten aus dem parlamentarischen Leben in Bonn

Exponate, die lange  im Keller lagen: Ernst Jörg Kruttschnitt mit einigen seiner Raritäten.

Exponate, die lange im Keller lagen: Ernst Jörg Kruttschnitt mit einigen seiner Raritäten.

Foto: Herles

Bonn. Ernst Jörg Kruttschnitt kam 1958 als junger Wirtschaftsjournalist für dpa und vwd aus Württemberg nach Bonn. Hier wurde er zum Patrioten der Bundesrepublik, am Ende "Berufsbonner" - mehr aus Neigung denn aus Pflicht. Seinen Hauseingang in Pech schmückt auch deshalb eine Skulptur mit dem Motiv der schwarz-rot-goldenen Bundesflagge des Künstlers Herbert Otto Hajek.

Von 1964 bis 1990 stand Kruttschnitt, für Kommunikation zuständig, mit an der Spitze des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) in Bonn, der inzwischen nach Berlin umgezogen ist.

Da die Bundesstadt zunehmend als Konferenzort begehrt ist, tagt nun der Verband der Geschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammern vom 23. bis 25. September in der IHK im Bonner Talweg 17.

Kruttschnitt, der viele Geschichten zur deutschen Geschichte erlebt hat und sie anschaulich erzählen kann, hat deshalb eine besondere Ausstellung vorbereitet. "Ich bin in meinen Keller gestiegen und habe einen alten Karton hervorgekramt. In ihn hatte ich 47 Jahre lang die Besonderheiten hineingeworfen, über die ich in Bonn gestolpert bin. Die Ausbeute war so, dass diese Sammlung eine Ausstellung hergab."

Kruttschnitt zeigt mit Kopien von über 100 Exponaten auf 40 Tafeln unter anderem Briefe Adenauers - mit eigenhändigen Korrekturen - an Außenminister Heinrich von Brentano und an seinen Freund, den Bankier Robert Pferdmenges, den er dennoch mit "sehr geehrter Herr" anredet.

Auch ein Schreiben an den ungeliebten Wirtschaftsminister Ludwig Erhard ist dabei, in dem "der Alte" nach einem Gespräch in seinem Journalistenzirkel, dem "Presse-Tee", "unglaubliche Vorgänge" rügt. Dabei beruft er sich auf die Frau des damaligen Rundfunkkorrespondenten und späteren CSU-Politikers Max Schulze-Vorberg: Die Bonner Metzger verkauften Kalbsleber viel zu teuer. Erhard solle Abhilfe schaffen. Was nicht gerade ein hochentwickeltes marktwirtschaftliches Verständnis des Bundeskanzlers bezeugt.

Es werden eine Reihe bürokratischer und kabarettreifer Besonderheiten aus dem Bundesgesetzblatt und dem Bundesanzeiger zitiert, darunter die Orthopädie-Verordnung von 1994, in der es heißt: "... Rollstuhlfahrer und Blinde erhalten im Winter ein Paar Handschuhe." Unterschrieben von Bundeskanzler Helmut Kohl und seinem Minister Norbert Blüm.

Zu sehen sind auch zwei Grafiken besonderer Art: die breit dahinfließende Unterschrift Willy Brandts und die Höhen und Tiefen derjenigen Helmut Kohls. Zu betrachten sind Kruttschnitts Bonn-Fotos der besonderen Art: die bescheidene Gästetoilette in der Villa Hammerschmidt oder das allmähliche Verschwinden von Zeitungsnamen auf einem Haus in der Dahlmannstraße, bis es auch dieses nicht mehr gab ...

Es ist eine augenzwinkernde Liebeserklärung an die Bundesrepublik, wie sie sich in Bonn entwickelt hat. Die bewusst auf historische Systematik verzichtende Schau "Aus dem Raritätenkabinett der Bonner Republik", die von der Sparkasse Bonn gefördert wird, ist zunächst vom 14. bis 21. September von 10 bis 16 Uhr und am Freitag bis 15 Uhr in der IHK, Bonner Talweg 17, zu sehen (Samstag und Sonntag geschlossen).

Danach wird sie voraussichtlich bei der Eröffnung des Hotels "Kanzler" in der Adenauerallee 148, dem vormaligen Haus des DIHT, der jetzt der DIHK ist, gezeigt. Kruttschnitt wünscht, dass sie später auch in anderen Industrie- und Handelskammern, gerade auch im Osten, zu sehen sein wird. "Wir hoffen, dass sie ein außerordentlicher Bonn-Botschafter wird."

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