Borodin-Quartett in der Redoute Asketischer Minimalismus und große Gesten

BAD GODESBERG · Das Personal mag kommen und gehen, doch der Sound bleibt: Seit über 65 Jahren ist das Borodin-Quartett die Autorität für die Werke von Dmitri Schostakowitsch - was auch daran liegen könnte, dass der Komponist zu Lebzeiten eng mit den Streichern zusammengearbeitet und die Einstudierung seiner Werke persönlich überwacht hat.

Im dritten Konzert seiner Residency spielt das älteste aktive Streichquartett in der Redoute Schostakowitschs 1968 entstandenes Des-Dur-Quartett: ein spätes Werk, in dem die tonalen Zusammenhänge der Spätromantik gelegentlich der Zwölftontechnik weichen müssen.

Bei den Borodins ist das Spannungsverhältnis zwischen Ausdruck und Struktur bestens aufgehoben. Sie setzen die musikalischen Konstruktionen so selbstverständlich in Klang um, dass ganz viel Raum bleibt, um den feinsten Stimmungswechseln nachzuspüren.

Wie ein ruhiges Gespräch hebt das Moderato an: Zum Monolog des Cellos gesellt sich zunächst die erste Violine, dann die anderen dazu. Pizzicato-Einwürfe und mürrische Tonrepetitionen gestalten den Dialog bald lebhafter, können aber das friedliche Dahinfließen der Musik nicht aufhalten.

Im längeren zweiten Satz geht es mit aggressiven Trillern und Läufen und einem energisch vorwärtsstrebenden Duktus schon ganz anders zur Sache. Asketischer Minimalismus wechselt mit großen Gesten, dem weichen Glanz der Geige von Primarius Ruben Aharonian steht das schwarze und starke Cello von Vladimir Balshin gegenüber.

Das blinde Einverständnis dieser vier Musiker ist genauso verblüffend wie das makellose Gleichgewicht der Stimmen: Das Borodin-Quartett atmet in jedem Ton eine Harmonie, die sich auf die Hörer überträgt und bei ihnen das Gefühl weckt, Schostakowitsch zu kennen wie einen guten Freund.

Der voluminöse, sinfonisch dichte Klang des Ensembles, gepaart mit absoluter Transparenz, kommt auch Beethovens Es-Dur-Quartett op. 127 zugute.

Zwar mag ein wenig von der expressiven Kraft des Spätwerks dem russischen Weichzeichner zum Opfer fallen, doch der Verzicht auf allzu schnelle Tempi und schroffe Akzente lässt zum Beispiel die entrückte Schönheit der Adagio-Variationen umso stärker hervortreten.

Das Publikum in der ausverkauften Redoute ist begeistert und bekommt mit der Elegie von Dmitri Schostakowitsch noch eine zum Weinen schöne Zugabe.

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