Sido auf dem Kunst!Rasen in Bonn „Ich habe sie alle überholt“

Bonn · Der Berliner Rapper Sido eröffnet am Freitag, 24. Juni, mit seinem Auftritt die Bonner Kunst!Rasen-Saison. Dem General-Anzeiger gab er im Vorfeld ein Interview.

Sie sind jetzt 35 Jahre alt, Ihre Single „Astronaut“ mit Andreas Bourani wurde 2015 ein Nummer-eins-Hit. Sie sind Mainstream, haben aber bei Jugendlichen immer noch eine hohe Glaubwürdigkeit. Wie schaffen Sie das?

Sido: Ich glaube, das hängt mit meiner Herkunft und meiner Ehrlichkeit zusammen. Man kann sich weiter mit mir identifizieren. Trotzdem habe ich viel von der ‚Credibilty“ in der HipHop-Jugend verloren. Junge Leute mögen mich zwar, aber HipHop-affine Leute eher nicht. Die Lanxess-Arena und das Palladium bekommt man nicht mit engstirnigen HipHop-Fans alleine voll. Wer heute zu mir kommt, kann sich auch ein Coldplay-Album kaufen.

Bekommen Sie mit, wie viele frühere Fans Sie verloren haben?

Sido: Den größten Teil. Da gibt es auch viele, die mich früher Mist fanden, und heute auch Mist finden (lacht). Die, die mit mir erwachsen geworden sind, können meine Entwicklung verstehen und sich damit identifizieren. Aber es gibt auch die, die damals in besonderen Verhältnissen aufgewachsen sind und bis heute da nicht rausgekommen sind. Denen kann ich nicht den Soundtrack für ihr Leben bieten, weil meine Musik immer so ist, wie ich bin.

Sie sind den Aggro-Berlin-Zeiten entwachsen und sozial aufgestiegen. Andere – wie Bushido – sind es auch, müssen aber weiter den bösen Jungen spielen. Warum müssen Sie das nicht?

Sido: Alle, die wie wir aus schwierigen Verhältnissen stammen, wollen später ein harmonisches Leben führen. Paul Würdig hatte Glück. Auf ihn hat man nicht so ein Auge geworfen. Bushido ist Migrant, da stürzt man sich mehr drauf. Das hat mit einem leichten Rassismus zu tun.

Rapper sind in ihren Texten die Größten und Coolsten. Bei Ihnen fallen Ihr Humor und das Augenzwinkern auf. Ist Rap eine Musik für Angeber?

Sido: Humor war immer meine Art, mit schlechten Dingen umzugehen. Du kannst nicht immer behaupten, dass du der Krasseste bist, denn es gibt immer jemanden, der krasser ist, ein Vorbild ist. Sich über alle zu stellen, macht man mal gerne und das gehört zum Rap dazu, aber dann höre ich Sachen, da muss ich sagen: „Mann, das hätte ich auch gerne gemacht!“ Aber ich mag es nicht, wenn Rapper nicht über das schreiben, was sie wirklich angeht. Kollegah ist ein Beispiel dafür. Er selbst gibt an, alles sei gespielt. Dabei ist er witzig, schlagfertig, weiß mit Worten zu spielen, und ich gönne ihm seinen Erfolg, aber privat höre ich ihn nicht.

Fertigmacher-Sprüche wie die von Kollegah gehören zur Rap-Kultur.

Sido: Klar, das sind Texte, die bei sehr jungen Leuten ankommen. Man freut sich darauf, wenn ein Rapper den anderen Rapper gedisst hat. Ich wende mich mit meiner Sprache bewusst an die, denen Rap auch in meinem Alter nicht peinlich sein muss. Das andere ist Rap für Kinder.

Der „Mann mit der Maske“ hat genau das gemacht.

Sido: Ja, da war ich auch ein Kind. Heute ist das nichts für mich. Früher habe ich aus purem Neid nach oben gedisst.

Und wie haben Sie den Neid verloren?

Sido: Ich habe sie alle eingeholt und überholt!

Der Verdacht bei Rappern liegt nahe, ihnen gehe es nur um die Kohle.

Sido: Man muss unterscheiden, worum geht es einem in seiner Musik und was will ich mit ihr erreichen. In den ruhigen Songs rede ich mir Dinge von der Seele. Gehen die Stücke nach vorne, will ich einfach unterhalten. Das sind meine Intentionen beim Songschreiben. Natürlich will ich Erfolg. Daraus mache ich keinen Hehl, auch wenn andere das nicht offen aussprechen.

Wenn man RAP-Texten glaubt, sind Frauen „Bitches“. Wie haben Sie Frauen erlebt?

Sido: Für mich war das nie so. Ich habe auch nicht so über Frauen geschrieben. Vielleicht, wenn ich mal von einer Freundin abgeturnt war. Aber ich hatte immer feste Beziehungen. Ich war nicht immer treu, aber kein Schürzenjäger. Für Heranwachsende, die täglich Pornos gucken, ist das ein Thema. Aber dafür bin ich zu erwachsen.

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